Mittwoch, 18. Juni 2014

Tag 35: Poiseul-les-Saulx - Messigny-et-Vantoux

Die Nacht im Refuge war gemütlich, auch wenn ich wieder mal sehr viel wachgelegen habe, weil das Knie schmerzte. Nachts wenn ich liege ist es am schlimmsten...
Auf den ersten Kilometern verlief die Wegführung des GR7 wieder anders als im Buch beschrieben und wir folgten erst dem Weg und suchten uns dann die Route über die Karte. Im Endeffekt liefen wir eine Abkürzung und kamen einen Ort weiter heraus als geplant.
In dem Örtchen machten wir eine Schuhe-aus-Pause (für mich immer noch das beste Mittel gegen Blasen. Hirschtalg und sonstige präventive Maßnahmen lasse ich inzwischen komplett weg).
Danach liefen wir über Feldwege und kleine Straßen über einen Berg und landeten in einem Dörfchen mit großem Dorfbrunnen. Es ist schon eine richtige Angewohnheit, dass ich meinen Kopf unter das Wasser halte, ob ich schwitze oder nicht.
Wir entspannten eine Weile und ich hoffte, dass die Schmerzen in meinem Knie nachlassen würden. Langsam wird es wirklich zur Qual, weil es auch tagsüber wehtut. Die Bandage trage ich ja nun auch schon einige Zeit und habe am linken Bein jetzt ein seltsames Bräunungsmuster.
Die nächsten 8 km verliefen stetig bergauf und durch den Wald "des Grolles". Ob hier viele Grolle leben und ob sie sehr gefährlich sind?
Zur Sicherheit sprachen wir etwas leiser, da wir nach wenigen Metern eine Grollhöhle am Wegesrand auf einer Anhöhe entdeckt hatten (dicke Äste waren wie ein Zelt aufgetürmt).
Irgendwann wurden die Schmerzen in meinem Knie so schlimm, dass Johannes sich meinen Rucksack vor den Bauch schnallte und ihn die letzten beiden Kilometer bergauf trug. Ohne Gepäck geht es dem Knie deutlich besser und ich konnte wieder blöde Sprüche machen. Von oben hatten wir eine prächtige Aussicht.
Im Ort fanden wir draußen neben der Kirche eine Steckdose. Wir nutzten die Gelegenheit, die Akkus aufzufüllen. Leider habe ich eine Kamera mit Akku, das macht mich abhängig vom Strom. Aber ich habe einfach keine mit Batterien gefunden, die meinen Ansprüchen genügt hätte.
Johannes und ich packten die Rucksäcke um, so dass ich weniger Gewicht tragen musste und liefen weiter.
Die letzten Kilometer der Strecke waren im Buch mit 6,6 km angegeben und eine Steigung stand auch nicht drin. In Ehrlichkeit aber war die Strecke 3-4 km länger und durchaus hügelig. Die Autorin kann froh sein, dass sie uns nur auf dem Papier begleitet!
Eine Stunde mehr Fußmarsch als gedacht mit schmerzendem Knie, das ist nicht besonders spaßig.
Dann war der Fluss, in dem laut Buch oft Menschen und Hunde baden und der heute unsere Badewanne sein sollte, völlig ausgetrocknet. Das war schade, denn wir haben gestern ja nicht geduscht und noch dazu im Rauch geschlafen.
Wir erreichten unser Ziel also deutlich später als geplant und es fing zu allem Überfluss auch noch an zu regnen.
Dabei hatten wir uns fast dazu durchgerungen, uns am Brunnen zu waschen. Wenigstens hatte die Bäckerei mit Tante Emma- Ecke noch geöffnet und wir kauften ein Baguette, zwei Cookies und eine Flasche Fanta lemon.
Danach überlegten wir, wo wir uns ein Plätzchen zum zelten suchen könnten. Wir wollten zum Ortsausgang laufen und waren gerade ein paar Meter gelaufen, da hupte uns ein Auto an und ein alter Mann winkte uns energisch heran. Er fragte mich, ob wir Pilger wären und was wir suchen (haben wir so fragend geguckt?). Ich sagte, dass wir gerade einen Platz für unser Zelt suchen. Er sagte sofort, dass er auch Pilger sei und wir mit zu ihm kommen können. Er müsse nur noch sein Kind von Bahnhof abholen und wir sollten oben am Platz warten.
Na, so schnell hat sich unser Schlafplatzproblem selten gelöst.
Wir warteten etwa eine Viertelstunde, dann wurden wir eingesammelt und in den Nachbarort gefahren, wo wir gleich die Dusche gezeigt bekamen und unser Zelt aufbauen konnten. Der Opi hatte gerade die Familie zu Besuch (Sohn + 3 Enkel) und im Haus war wohl kein Platz mehr, aber er hat und trotzdem spontan aufgenommen. Wow.
Nach der Dusche spielte ich etwas mit dem Hund und dann gab es Essen. Da die Frau des Mannes kürzlich verstorben ist, war dies das erste Essen, das er selbst zubereitet hat.  Es gab Melone als Aperitif, dann Reis, Baguette und viele Schüsseln mit Zutaten, die man sich mischen konnte. Sauce, Senf, Thunfisch, Wurst, Zwiebeln, Paprika, ...
Wir bekamen Bier, sonst trank es keiner der Anwesenden. Wir müssen für die Franzosen echt ein Biervolk sein.
Hinterher gab es noch Obst, Eis, Joghurt (mit Puderzucker aus dem 1 Liter- Tetra Pak) und natürlich eine Käseplatte.
Als die Schwiegertochter und der Enkel dazukamen, waren wir zu neunt. Die Frau war nur mäßig überrascht, dass Pilger am Tisch saßen, ihr Schwiegervater nimmt wohl öfter mal welche auf.
Es war wieder ein sehr schöner Abend und wir gingen glücklich, gewaschen und satt ins Zelt, das uns inzwischen ein richtiges zu Hause geworden ist.

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