Montag, 2. Juni 2014

Tag 19: Litdorf - Perl

Heute verlief der Camino wieder viel über Feldwege und dann auf einem Höhenzug, von dem aus wir eine weite Aussicht hatten und genossen. Wir begegneten bei einer Pause "Jacques", einem Schmetterling, der gar nicht von mir ablassen wollte (ich nannte ihn so, weil er mich mit seinem Rüssel an Jacques aus "Findet Nemo" erinnerte). Er setzte sich erst auf meine Schuhe, dann auf meine Hand, meine Bandage, meinen Arm... Und als ich mich zum Aufbruch bereitmachte, flatterte er mit immer wieder ins Bild und setzte sich da hin, wo ich gerade etwas tat.
Wir liefen auch an einem Kirschbaum vorbei, den wir so weit es ging abernteten. Da aber noch lange nicht alle Früchte reif sind, war die Ausbeute auch nicht besonders groß. Obwohl Johannes noch auf den Baum kletterte, um 4 oder 5 weitere Kirschen zu pflücken.
In einem kleinen Ort 5 km vor Perl klingelten wir an einem Haus und baten darum, dass unsere Wasserflaschen ausgefüllt würden. Wir wurden gleich eingeladen, auf den Stühlen und der Bank hinter dem Haus eine Pause zu machen. Da wir ohnehin vorhatten, bald eine Pause zu machen, nahmen wir gern an. Wir bekamen noch Getränke angeboten und unterhielten uns etwas mit der Anwohnerin.
Bevor wir weitergingen ließ sich Johannes seine zweite Flasche füllen und wir sahen die Wanderpilger wieder, die auch gerade auf der Suche nach Wasser waren. Also bekamen auch sie ihre Flaschen gefüllt und wir machten uns gemeinsam auf den weiteren Weg.
Es ging bald in die Weinberge und über einen Vorort nach Perl. Wir ignorierten den Supermarkt erst mal, weil wir die Post suchten. Die schließt Montags allerdings schon am Mittag.
Wie waren noch nicht sicher, wo wir heute Abend schlafen sollten. Unsere Kleidung ist frisch gewaschen, wir haben geduscht; es spricht also nichts gegen zelten. Die Frage war nur, wo. Wir würden uns vermutlich hinter Perl ein Plätzchen suchen müssen.
Wir liefen zur Kirche und suchten den Pilgerstempel - der sollte hinter dem Mauervorsprung sein, wir entdeckten ihn aber nicht sofort. Dafür sah ich, dass hinter der Kirche eine schöne, ebene Wiese war. Es sah wie für uns gemacht aus. Ruhig, fast sichtgeschützt und zentral im Ort.
Leider standen keine Telefonnummern im Schaukasten und unser Internet wollte auch nicht richtig laufen.
Im Geschäft gegenüber konnte uns auch nicht geholfen werden, also schauten wir uns erst einmal etwas um. An einem Haus hing ein großes "Zimmer frei"- Schild mit einer Jakobsmuschel. Das beachteten wir aber nicht weiter, weil wir heute Nacht ja kein Geld in eine Unterkunft stecken wollten. Da klopfte es plötzlich wild an einem Fenster und eine relativ alte Frau streckte den Kopf aus ihrem Fenster und versuchte energisch, uns ihr Zimmer für günstige 50€ anzudrehen und ließ sich auch nicht davon abbringen, als wir sagten, dass wir heute Nacht im Zelt schlafen wollen und uns das Zimmer zu teuer sei, da wir noch bis nach Spanien wollen. Sie wurde immer unfreundlicher und hätten wir je mit dem Gedanken gespielt, das Zimmer zu mieten, hätten wir es so sicherlich nicht mehr genommen. Auch wenn sie mehrfach betonte, dass wir nichts günstigeres finden würden und schon gar keinen Platz zum zelten.
Wir zogen ab und die Frau kam sogar noch vor das Haus und beobachtete mich, wie ich auf Johannes wartete, der in einem Restaurant auf Toilette war.
Wir stiefelten zurück zum Ortseingang, um für die nächsten Tage einzukaufen, denn bis Metz werden wir vermutlich an keinem Laden mehr vorbeikommen.
Außerdem besorgten wir noch ein paar Kleinigkeiten bei dm und sahen viele Franzosen, die Großeinkäufe machten. Besonders angesagt waren Katzenstreu, Klopapier, Seife und Waschmittel. Es muss in Frankreich schon eine ganze Ecke teurer sein, wenn sie solche Vorräte einkaufen.
Zum Schluss kauften wir uns noch eine 4er- Packung Magnum und nutzten den Empfang vor den Supermarkt, um nach der Nummer des Pfarrers zu suchen. Wir fanden sie, erreichten ihn und bekamen sofort das okay. Erfreut wanderten wir zur Kirche zurück, bauten unser Zelt auf und merkten, dass man die Kirchenglocken hier hinter dem Haus besonders gut hören kann. Uns flogen fast die Ohren weg.
Im letzten Sonnenlicht wollten wir unser Abendbrot essen, hatten nach dem Eis aber keinen wirklichen Hunger mehr. Also warteten wir noch eine Stunde damit und genossen den Abend.
Der Pfarrer lief noch oberhalb des Gartens entlang, streckte den Kopf über die Mauer, grüßte uns und sagte, dass wir zu ihm kommen könnten, wenn wir etwas brauchen sollten. Die Kirchenglocken würden von 22 - 7 Uhr ruhig sein, versicherte er uns noch.
Das war auch gut so, denn nachdem wir in der Pizzeria um die Ecke auf Toilette und Zähne putzen waren und schlafen wollten, war es auch 22 Uhr. So konnten wir dann schlafen, ohne alle 15 Minuten geweckt zu werden.
Der Rhythmus ändert sich auf einer solchen Reise (zumindest beim zelten) erheblich. Normalerweise gilt 22 Uhr für mich eher als früher Abend und jetzt liege ich um diese Zeit schon im Bett.
Die genauen Tageskilometer rechnen wir meistens zwar aus, aber ich vergesse sie immer wieder, weil es irgendwie nicht wichtig ist. Es sind meistens zwischen 20 und 25, viel weiter laufen wir nicht, weil wir so viel trödeln, auf mein Knie achten und es mit den Unterkünften oft so passt.
Wir haben aktuell einen Durchschnitt von gerade einmal 21 km pro Tag, aber das stört uns nicht besonders. Wir laufen ja nicht, um hinterher mit langen Etappen prahlen zu können.

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