Heute
Nacht habe ich schlecht geschlafen. Immer wieder wachte ich auf, aber
es war noch nicht Zeit zum Aufstehen. Ich lag ewig wach und schlief
natürlich gerade, als die Ersten anfingen, ihre Sachen zu packen,
ein und fiel in einen Tiefschlaf. Aber es half alles nichts, die
Herberge musste um 8 Uhr geräumt sein, also stand ich um 7.20 Uhr
auf. Ich brach mit Allan und René auf und wir machten uns auf den
Weg in Richtung Meseta. 32 Km und meine Füße, die ich mit Compeed
abklebte, schmerzten bereits auf den ersten Km so, dass ich nicht
wusste, wie ich den Tag schaffen sollte. Allan ging es mit seinen
Monsterblasen sogar noch schlechter als mir.
So
machten wir beide nach nur knapp 4 Km bereits Frühstückspause auf
einem Spielplatz. Wir haben ja den ganzen Tag Zeit und niemand hetzt
uns. Derzeit muss man sich auch keine Sorgen machen, kein Bett zu
bekommen, es sind so wenig Pilger unterwegs, dass keine Herberge voll
sein wird. Und bisher habe ich sogar immer einen Platz unten im
Etagenbett bekommen. Das ist entspannter, weil ich meine Sachen auf
dem Bett ausbreiten und sortieren kann und nicht mit schmerzenden
Füßen auf das Bett klettern muss. Einige Km später machten wir mit
Hogy, der inzwischen zu uns aufgeschlossen hatte (er startet morgens
oft nach uns, weil er noch eine Cola in einer Bar trinkt und eine
Zigarette raucht) eine lange Siesta an einem Rastplatz mit Brunnen.
Hier campte eine kleine Gruppe Radpilger- oder Touristen, aber einer
der Tische wurde für uns freigeräumt. Hogy belegte sich sein
Baguette mit Mayonaise, Salami und… Schokosauce. Ich glaube fast,
es hat ihm geschmeckt.
Er
bekam eine SMS von Duck, dass vor 2 Tagen eine deutsche Frau auf dem
Weg durch die Meseta von einem Radfahrer umgefahren und überfallen
worden war. Die Frau musste deswegen ihre Pilgerreise abbrechen, weil
ihr viel Geld gestohlen wurde und musste nach Hause fahren. Er bat
uns, nicht allein durch die Meseta zu laufen.
Glücklicherweise
hat mein Rucksack eine Art Geheimfach, wo tagsüber mein Brustbeutel
drin ist. Ob das ein Gangster finden würde oder nicht, kann ich
nicht sagen, vielleicht kennen die sich auch mit Rucksäcken aus.
Aber ich habe meinen Stock in der Hand und das Taschenmesser zur
Sicherheit in die Hosentasche getan. Im Ernstfall würde es natürlich
viel zu lange dauern, es rauszuholen, aber auch ohne Taschenmesser
sollte mir ein Schurke lieber nicht zu nah kommen.
Die Km
zogen sich ins Unendliche und unsere Füße taten so weh wie seit
Beginn der Reise nicht mehr. Das blöde Dorf wollte in dieser flachen
Einöde einfach nicht auftauchen. Wir machten immer wieder Pausen, um
unsere Füße auszuruhen. Jeden Stein und jede Bank nutzen wir für
wenigstens 5 Minuten Verschnaufpause. Wir sind jetzt in der Meseta,
einem recht kahlbewachsenem Hochplateau. Hier gibt es kaum Bäume,
aber leider noch einige Hügel. Das soll aber in den kommenden Tagen
anders werden.
Die
Sonne knallt und es ist wirklich warm, die Jacke hatte ich längt
ausgezogen und die Hose war seit dem Vormittag hochgekrempelt. Es
waren etwa 20°C und beim Laufen fühlt es sich ja noch wärmer an.
Im Hochsommer würde ich hier vermutlich eingehen. Wir genießen,
dass wir durch die frühe Jahreszeit den Tag voll nutzen können,
ohne uns vor der Mittagshitze verstecken zu müssen oder in Zeitdruck
zu geraten, um vor der großen Hitze in der Herberge anzukommen. Wir
können einfach laufen und ankommen, wann wir wollen.
Handypanorama |
Mal
wieder war der Weg unverschämt steinig und ich musste ständig
darauf achten, dass ich nicht umknicke oder, wie James es über den
Tiger jedes Jahr zu Silvester zu tun pflegt, über große Stein
stolpere.
Und
wieder wurden die letzten Km zur echten Herausforderung. Ich fühlte
jede Blase am Fuß und jeder Zeh schmerzte so, dass ich nicht weiß,
wie es werden soll, wenn das so weitergeht.
Wir
waren gegen Ende auch zunehmend genervt, denn zu der Hitze kam ein
Schwarm extrem nerviger Minifliegen, die zu gern in Augen, Mund und
Nase flogen. Man hat ja sonst nichts zu tun in diesem Leben!
Als
wir schon fast zu erschöpft zum Motzen waren, tauchte vor uns ein
Schild auf, das behauptete, es wären nur noch 500 Meter bis zum Ort.
Wir konnten zwar noch keine Zeichen von Zivilisation ausmachen, aber
wir vertrauten auf die Richtigkeit der Angabe.
Hätte
ich meinen Rucksack nicht auf dem Rücken, den Stock nicht in der
Hand und wäre der Weg nicht so steinig- Ich wäre die letzten Meter
gekrochen!
Plötzlich
ragte hinter eine Kurve aus einem Tal eine Kirchturmspitze auf. Wir
waren da!
Wir
schleppten uns durch den Ort (und ich war ein bisschen froh, nicht
allein so zu leiden) und trafen die anderen Pilger vor der Bar neben
der Herberge. Sie jubelten und klatschten uns ab. Endlich waren wir
da.
Man
kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nach so
einem Tag die Herberge erreicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat.
Und heute war ein harter Tag, 32 Km, kein "walk in a park",
wie wir die kurzen oder flachen Tage zu nennen pflegen. Und egal wie
flach es ist, 32 Km läuft man nicht mal eben so, schon gar nicht mit
Blasen, Rucksack und Schmerzen.
Wir
duschten und begaben uns dann auf ein kühles Bier in die Bar, bevor
wir kochten. Den Abend verbrachten wir in der Bar, wo ein Fußballspiel
lief. Wein kostet in vielen Bars nur 1€ und ist somit günstiger
als Bier und war heute unsere erste Wahl. Wir bekamen Lust auf Eis,
weil wir die ganze Zeit das attraktive Schild über der Eistruhe
sahen. Aber leider hatte die Frau keines da. Ich muss enttäuscht
ausgesehen haben (ich kann ja kein Spanisch und "schade"
sagen), denn sie bot mir gefrorenen Kuchen aus ihrem Privatbestand
an. In Spanien bekommt man öfter mal etwas in Bars zu den
Bestellungen dazu und der Kuchen schmeckte fast so gut wie Eis und
wir waren glücklich.
Ich
hatte heute ausgerechnet, dass die morgige Strecke über 29 Km lang
wird, dazwischen gibt es keine offenen Herbergen. Patrick beharrte
aber darauf, dass es nur 26 Km waren. Da ich mein Buch nicht dabei
hatte, glaubten wir ihm, freuten uns und beschlossen "auszuschlafen"
und erst um 8 Uhr aufzustehen. Yeah, fast 4 Km weniger als gedacht.
Das ist immerhin fast eine Stunde.
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