Freitag, 1. März 2013

29. Februar- Hontanas (ca. 32 Km)

Heute Nacht habe ich schlecht geschlafen. Immer wieder wachte ich auf, aber es war noch nicht Zeit zum Aufstehen. Ich lag ewig wach und schlief natürlich gerade, als die Ersten anfingen, ihre Sachen zu packen, ein und fiel in einen Tiefschlaf. Aber es half alles nichts, die Herberge musste um 8 Uhr geräumt sein, also stand ich um 7.20 Uhr auf. Ich brach mit Allan und René auf und wir machten uns auf den Weg in Richtung Meseta. 32 Km und meine Füße, die ich mit Compeed abklebte, schmerzten bereits auf den ersten Km so, dass ich nicht wusste, wie ich den Tag schaffen sollte. Allan ging es mit seinen Monsterblasen sogar noch schlechter als mir.
So machten wir beide nach nur knapp 4 Km bereits Frühstückspause auf einem Spielplatz. Wir haben ja den ganzen Tag Zeit und niemand hetzt uns. Derzeit muss man sich auch keine Sorgen machen, kein Bett zu bekommen, es sind so wenig Pilger unterwegs, dass keine Herberge voll sein wird. Und bisher habe ich sogar immer einen Platz unten im Etagenbett bekommen. Das ist entspannter, weil ich meine Sachen auf dem Bett ausbreiten und sortieren kann und nicht mit schmerzenden Füßen auf das Bett klettern muss. Einige Km später machten wir mit Hogy, der inzwischen zu uns aufgeschlossen hatte (er startet morgens oft nach uns, weil er noch eine Cola in einer Bar trinkt und eine Zigarette raucht) eine lange Siesta an einem Rastplatz mit Brunnen. Hier campte eine kleine Gruppe Radpilger- oder Touristen, aber einer der Tische wurde für uns freigeräumt. Hogy belegte sich sein Baguette mit Mayonaise, Salami und… Schokosauce. Ich glaube fast, es hat ihm geschmeckt.

Er bekam eine SMS von Duck, dass vor 2 Tagen eine deutsche Frau auf dem Weg durch die Meseta von einem Radfahrer umgefahren und überfallen worden war. Die Frau musste deswegen ihre Pilgerreise abbrechen, weil ihr viel Geld gestohlen wurde und musste nach Hause fahren. Er bat uns, nicht allein durch die Meseta zu laufen.
Glücklicherweise hat mein Rucksack eine Art Geheimfach, wo tagsüber mein Brustbeutel drin ist. Ob das ein Gangster finden würde oder nicht, kann ich nicht sagen, vielleicht kennen die sich auch mit Rucksäcken aus. Aber ich habe meinen Stock in der Hand und das Taschenmesser zur Sicherheit in die Hosentasche getan. Im Ernstfall würde es natürlich viel zu lange dauern, es rauszuholen, aber auch ohne Taschenmesser sollte mir ein Schurke lieber nicht zu nah kommen.


Die Km zogen sich ins Unendliche und unsere Füße taten so weh wie seit Beginn der Reise nicht mehr. Das blöde Dorf wollte in dieser flachen Einöde einfach nicht auftauchen. Wir machten immer wieder Pausen, um unsere Füße auszuruhen. Jeden Stein und jede Bank nutzen wir für wenigstens 5 Minuten Verschnaufpause. Wir sind jetzt in der Meseta, einem recht kahlbewachsenem Hochplateau. Hier gibt es kaum Bäume, aber leider noch einige Hügel. Das soll aber in den kommenden Tagen anders werden.
Die Sonne knallt und es ist wirklich warm, die Jacke hatte ich längt ausgezogen und die Hose war seit dem Vormittag hochgekrempelt. Es waren etwa 20°C und beim Laufen fühlt es sich ja noch wärmer an. Im Hochsommer würde ich hier vermutlich eingehen. Wir genießen, dass wir durch die frühe Jahreszeit den Tag voll nutzen können, ohne uns vor der Mittagshitze verstecken zu müssen oder in Zeitdruck zu geraten, um vor der großen Hitze in der Herberge anzukommen. Wir können einfach laufen und ankommen, wann wir wollen.
Handypanorama
Mal wieder war der Weg unverschämt steinig und ich musste ständig darauf achten, dass ich nicht umknicke oder, wie James es über den Tiger jedes Jahr zu Silvester zu tun pflegt, über große Stein stolpere.
Und wieder wurden die letzten Km zur echten Herausforderung. Ich fühlte jede Blase am Fuß und jeder Zeh schmerzte so, dass ich nicht weiß, wie es werden soll, wenn das so weitergeht.
Wir waren gegen Ende auch zunehmend genervt, denn zu der Hitze kam ein Schwarm extrem nerviger Minifliegen, die zu gern in Augen, Mund und Nase flogen. Man hat ja sonst nichts zu tun in diesem Leben!
Als wir schon fast zu erschöpft zum Motzen waren, tauchte vor uns ein Schild auf, das behauptete, es wären nur noch 500 Meter bis zum Ort. Wir konnten zwar noch keine Zeichen von Zivilisation ausmachen, aber wir vertrauten auf die Richtigkeit der Angabe.

Hätte ich meinen Rucksack nicht auf dem Rücken, den Stock nicht in der Hand und wäre der Weg nicht so steinig- Ich wäre die letzten Meter gekrochen!
Plötzlich ragte hinter eine Kurve aus einem Tal eine Kirchturmspitze auf. Wir waren da!
Wir schleppten uns durch den Ort (und ich war ein bisschen froh, nicht allein so zu leiden) und trafen die anderen Pilger vor der Bar neben der Herberge. Sie jubelten und klatschten uns ab. Endlich waren wir da.
Man kann sich vermutlich nicht vorstellen, wie es ist, wenn man nach so einem Tag die Herberge erreicht, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Und heute war ein harter Tag, 32 Km, kein "walk in a park", wie wir die kurzen oder flachen Tage zu nennen pflegen. Und egal wie flach es ist, 32 Km läuft man nicht mal eben so, schon gar nicht mit Blasen, Rucksack und Schmerzen.

Wir duschten und begaben uns dann auf ein kühles Bier in die Bar, bevor wir kochten. Den Abend verbrachten wir in der Bar, wo ein Fußballspiel lief. Wein kostet in vielen Bars nur 1€ und ist somit günstiger als Bier und war heute unsere erste Wahl. Wir bekamen Lust auf Eis, weil wir die ganze Zeit das attraktive Schild über der Eistruhe sahen. Aber leider hatte die Frau keines da. Ich muss enttäuscht ausgesehen haben (ich kann ja kein Spanisch und "schade" sagen), denn sie bot mir gefrorenen Kuchen aus ihrem Privatbestand an. In Spanien bekommt man öfter mal etwas in Bars zu den Bestellungen dazu und der Kuchen schmeckte fast so gut wie Eis und wir waren glücklich.
Ich hatte heute ausgerechnet, dass die morgige Strecke über 29 Km lang wird, dazwischen gibt es keine offenen Herbergen. Patrick beharrte aber darauf, dass es nur 26 Km waren. Da ich mein Buch nicht dabei hatte, glaubten wir ihm, freuten uns und beschlossen "auszuschlafen" und erst um 8 Uhr aufzustehen. Yeah, fast 4 Km weniger als gedacht. Das ist immerhin fast eine Stunde.


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