Nur noch 2 Tage… Es
ist ein komisches Gefühl, bald anzukommen. Nur noch 2 Tage laufen und dann?
Seit der Grenze zu
Galicien stehen am Weg alle 500 Meter Kilometersteine, die uns anzeigen, wie
weit wir es noch bis nach Santiago haben und ich weiß nicht, ob es mich freut
oder stört.
Wir sind heute alle
in einer ganz komischen Stimmung. Gestern Abend schon waren wir etwas schlecht
drauf, antriebslos und unmotiviert. Wir wollen endlich ankommen, unsere Füße
sind kaputt und die Kathedrale ist unser Ziel, auf das wir uns ausrichten. Aber
auf der anderen Seite bedeutet Ankommen auch, dass unsere Pilgerreise zu Ende
geht. Danach werden wir uns trennen und uns vielleicht nie wieder sehen,
geschweige denn noch mal zusammen auf dem Weg sein.
Allan, Hogy und ich
haben entschieden, dass wir alle keine Lust und keine Motivation mehr haben,
nach Finisterre weiterzulaufen. Wir haben alle das Gefühl, dass unsere Reise in
Santiago zu Ende ist. Wir werden alle gemeinsam mit dem Bus ans Meer fahren und
dort einen schönen Abschluss unserer Reise finden und die letzten gemeinsamen
Stunden genießen.
Heute regnete es
wieder den ganzen Tag und zwischendurch hagelte es sogar. Aber ich will mich
nicht beklagen, wir hatten die letzten Wochen unverschämtes Glück mit dem
Wetter.
Wir liefen durch
Melide, der Pulpo- Hochburg von Spanien. Pulpo ist gekochte Krake, die
kleingeschnitten und dann verspeist wird. Dabei erkennt man aber noch alles vom
Tier, die ganzen Saugnäpfe und so. Es
sieht für mich echt gruselig aus, aber ich bin auch kein Meereskrammensch und
auch bei Fleisch kritisch. Deswegen habe ich mir eine Kartoffel- Kohlsuppe
bestellt. Etwas Anderes ohne Fleisch habe ich nicht auf der Karte gefunden.
Ich habe mir sagen
lassen, dass der Pulpo sehr lecker gewesen sei. Ich wollte es aber weder
glauben noch prüfen. Nadja hat sich getraut und sogar gleich eine ganze Portion
bestellt- Sie hat ein Auslandssemester in Zaragoza hinter sich und dort so
viele Sachen probiert, dass sie da ganz locker ist.
Ich meinte, dies sei
der Moment, in dem ich Vegetarier werde. Ich habe die ganze Zeit diese Noppen
von dem Tier gesehen und hätte das nie in meinem Mund stecken können.
Gruselig, oder?! |
Als wir
weitergingen, trafen wir wieder auf die Amerikaner: 2 Frauen mit 3 Kindern
zwischen 10 und 14 Jahren, die ein paar Monate in Santiago gewohnt hatten und
jetzt zum Abschluss die letzten 100 Km für die Compostela (Urkunde) pilgern.
Das gehört ja auch irgendwie dazu, wenn man in Santiago gelebt hat. Der Junge
ist 10 Jahre und hat Allan die ganze Zeit altklug über die Pilgerei belehrt.
Wir mussten die ganze Zeit lachen, weil er erst seit 3 Tagen unterwegs ist und
gar nicht weiß, was Pilgern wirklich bedeutet. Die Familie ist in jede Bar
eingekehrt und die Kinder haben alles bekommen, was sie wollten. Cola, Saft,
Chips, Kekse… Außerdem hat Mami das meiste Gepäck getragen.
Aber vielleicht
macht es ihm Spaß und er kommt irgendwann wieder und läuft mehr als ein paar
Tage.
Allan hatte heute
wieder große Probleme mit seinen Blasen und wir finden es schade und ärgerlich,
dass wir so kurz vor dem Ende noch solche Probleme mit Blasen bekommen. Seine
aktuelle Blase ist wohl auch die Schlimmste der gesamten Reise. Langsam schleppten
wir uns zur Herberge und staunten beim Anblick der Küche: Ein Riesenraum,
völlig überdimensioniert mit 10 Doppelherdplatten- Aber nicht einmal ein Teelöffel war zu
finden. Die Küche war bis auf die Kochplatten und Schränke einfach leer. Zu
blöd, dass wir unser Begleitfahrzeug mit dem Kücheninventar nicht dabei haben.
Zufälligerweise ist
direkt neben der Herberge eine Bar, in der die Hospitaleros arbeiten und die zu
gern Pilgern warmes Essen verkaufen.
Da ich nur noch
hartes Baguette hatte und wir gestern vergessen hatten, für den heutigen
Sonntag einzukaufen, musste ich in der Bar eine Pommes essen.
Bald darauf gingen
wir Richtung Bett und ergaben uns unserer "Santiagodepression". Die
Herberge ist schön, aber leider gibt es keinen Aufenthaltsraum und gut geheizt
ist es hier auch nicht. Die Sanitäranlagen sind draußen (oben und unten offen)
und das Wasser ist kalt. Da haben wir leider nicht duschen können, auf der
Toilette war es schon bitterkalt.
Kim ging als Erstes
schlafen und fing bald an fürchterlich laut zu schnarchen. Ich steckte mir
Oropax in die Ohren, um im Bett mein Tagebuch schreiben zu können. Aber ich
finde die Stöpsel unangenehm und musste sie wieder rausnehmen und aufhören zu
schreiben, ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.
Das Schnarchen ist
auch sehr unregelmäßig und abwechslungsreich. Kim hat zudem Apnoephasen, er
atmet also einfach eine Zeit lang nicht und fängt dann wieder an und schnarcht
wie ein Monster. Allan und ich fanden das so lustig, dass wir uns neben ihn
setzten und Aufnahmen davon machten.
Irgendwann haben wir
das Handy an Kims Ohr gehalten und das Schnarchen abgespielt. Er schreckte aus
dem Schlaf und fragte, ob er das sei und wir konnten vor Lachen gar nicht
antworten.
Wir hörten uns die
Aufnahme noch ein paar Mal an und prusteten vor Lachen. Wir haben uns kaum
wieder eingekriegt. Wir haben das vermutlich als Ventil für unsere seltsame
Stimmung genutzt und es ging uns auch viel besser hinterher. Dennoch, nur
noch 2 Tage…
Das ist übrigens Allan. |
Kilometerangabe alle 500 Meter |
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