Montag, 18. März 2013

18. März- Ribadiso (ca. 27 Km)


Nur noch 2 Tage… Es ist ein komisches Gefühl, bald anzukommen. Nur noch 2 Tage laufen und dann?
Seit der Grenze zu Galicien stehen am Weg alle 500 Meter Kilometersteine, die uns anzeigen, wie weit wir es noch bis nach Santiago haben und ich weiß nicht, ob es mich freut oder stört.
Wir sind heute alle in einer ganz komischen Stimmung. Gestern Abend schon waren wir etwas schlecht drauf, antriebslos und unmotiviert. Wir wollen endlich ankommen, unsere Füße sind kaputt und die Kathedrale ist unser Ziel, auf das wir uns ausrichten. Aber auf der anderen Seite bedeutet Ankommen auch, dass unsere Pilgerreise zu Ende geht. Danach werden wir uns trennen und uns vielleicht nie wieder sehen, geschweige denn noch mal zusammen auf dem Weg sein.

Allan, Hogy und ich haben entschieden, dass wir alle keine Lust und keine Motivation mehr haben, nach Finisterre weiterzulaufen. Wir haben alle das Gefühl, dass unsere Reise in Santiago zu Ende ist. Wir werden alle gemeinsam mit dem Bus ans Meer fahren und dort einen schönen Abschluss unserer Reise finden und die letzten gemeinsamen Stunden genießen.


Heute regnete es wieder den ganzen Tag und zwischendurch hagelte es sogar. Aber ich will mich nicht beklagen, wir hatten die letzten Wochen unverschämtes Glück mit dem Wetter.
Wir liefen durch Melide, der Pulpo- Hochburg von Spanien. Pulpo ist gekochte Krake, die kleingeschnitten und dann verspeist wird. Dabei erkennt man aber noch alles vom Tier, die ganzen Saugnäpfe und so.  Es sieht für mich echt gruselig aus, aber ich bin auch kein Meereskrammensch und auch bei Fleisch kritisch. Deswegen habe ich mir eine Kartoffel- Kohlsuppe bestellt. Etwas Anderes ohne Fleisch habe ich nicht auf der Karte gefunden.

Ich habe mir sagen lassen, dass der Pulpo sehr lecker gewesen sei. Ich wollte es aber weder glauben noch prüfen. Nadja hat sich getraut und sogar gleich eine ganze Portion bestellt- Sie hat ein Auslandssemester in Zaragoza hinter sich und dort so viele Sachen probiert, dass sie da ganz locker ist.
Ich meinte, dies sei der Moment, in dem ich Vegetarier werde. Ich habe die ganze Zeit diese Noppen von dem Tier gesehen und hätte das nie in meinem Mund stecken können.

Gruselig, oder?!
Als wir weitergingen, trafen wir wieder auf die Amerikaner: 2 Frauen mit 3 Kindern zwischen 10 und 14 Jahren, die ein paar Monate in Santiago gewohnt hatten und jetzt zum Abschluss die letzten 100 Km für die Compostela (Urkunde) pilgern. Das gehört ja auch irgendwie dazu, wenn man in Santiago gelebt hat. Der Junge ist 10 Jahre und hat Allan die ganze Zeit altklug über die Pilgerei belehrt. Wir mussten die ganze Zeit lachen, weil er erst seit 3 Tagen unterwegs ist und gar nicht weiß, was Pilgern wirklich bedeutet. Die Familie ist in jede Bar eingekehrt und die Kinder haben alles bekommen, was sie wollten. Cola, Saft, Chips, Kekse… Außerdem hat Mami das meiste Gepäck getragen.
Aber vielleicht macht es ihm Spaß und er kommt irgendwann wieder und läuft mehr als ein paar Tage.

Allan hatte heute wieder große Probleme mit seinen Blasen und wir finden es schade und ärgerlich, dass wir so kurz vor dem Ende noch solche Probleme mit Blasen bekommen. Seine aktuelle Blase ist wohl auch die Schlimmste der gesamten Reise. Langsam schleppten wir uns zur Herberge und staunten beim Anblick der Küche: Ein Riesenraum, völlig überdimensioniert mit 10 Doppelherdplatten-  Aber nicht einmal ein Teelöffel war zu finden. Die Küche war bis auf die Kochplatten und Schränke einfach leer. Zu blöd, dass wir unser Begleitfahrzeug mit dem Kücheninventar nicht dabei haben.
Zufälligerweise ist direkt neben der Herberge eine Bar, in der die Hospitaleros arbeiten und die zu gern Pilgern warmes Essen verkaufen.
Da ich nur noch hartes Baguette hatte und wir gestern vergessen hatten, für den heutigen Sonntag einzukaufen, musste ich in der Bar eine Pommes essen.

Bald darauf gingen wir Richtung Bett und ergaben uns unserer "Santiagodepression". Die Herberge ist schön, aber leider gibt es keinen Aufenthaltsraum und gut geheizt ist es hier auch nicht. Die Sanitäranlagen sind draußen (oben und unten offen) und das Wasser ist kalt. Da haben wir leider nicht duschen können, auf der Toilette war es schon bitterkalt.

 Kim ging als Erstes schlafen und fing bald an fürchterlich laut zu schnarchen. Ich steckte mir Oropax in die Ohren, um im Bett mein Tagebuch schreiben zu können. Aber ich finde die Stöpsel unangenehm und musste sie wieder rausnehmen und aufhören zu schreiben, ich konnte mich einfach nicht konzentrieren.
Das Schnarchen ist auch sehr unregelmäßig und abwechslungsreich. Kim hat zudem Apnoephasen, er atmet also einfach eine Zeit lang nicht und fängt dann wieder an und schnarcht wie ein Monster. Allan und ich fanden das so lustig, dass wir uns neben ihn setzten und Aufnahmen davon machten.
Irgendwann haben wir das Handy an Kims Ohr gehalten und das Schnarchen abgespielt. Er schreckte aus dem Schlaf und fragte, ob er das sei und wir konnten vor Lachen gar nicht antworten.
Wir hörten uns die Aufnahme noch ein paar Mal an und prusteten vor Lachen. Wir haben uns kaum wieder eingekriegt. Wir haben das vermutlich als Ventil für unsere seltsame Stimmung genutzt und es ging uns auch viel besser hinterher. Dennoch, nur noch 2 Tage…

Das ist übrigens Allan. 

Kilometerangabe alle 500 Meter

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