Um 7 Uhr wurden wir
mit "Ave Maria" geweckt. Vorher durften wir auch laut Aussage der
Hospitaleros nicht aufstehen (ich hatte schon Angst, in der Nacht auf dem Weg
zum Klo erwischt zu werden). Teresa schlief über mir und das tat sie bereits,
als wir zu Bett gingen. Als wir schließlich im Bett lagen, fragte sie laut im
Schlaf "Warum? What's wrong?", war aber leider nicht zu weiteren
Unterhaltungen aufgelegt.
Nach einem Frühstück
starteten wir heute wieder recht spät. Gegen 9 Uhr machten wir ein Gruppenfoto
vor der Herberge und machten uns dann auf, um den hohen Berg zu besteigen.
Der Anstieg hatte es
in sich und so lief ich heute wieder in meinen Stiefeln. Ich habe noch einige
schmerzhafte Blasen, aber es war auszuhalten. Nach ein paar Km erreichten wir
den kleinen Ort La Faba, wo wir an einem Brunnen Rast machten und ich lange mit
2 verschmusten Katzen spielte. Die kamen zusammen mit zwei Hunden angelaufen,
um Aufmerksamkeit zu bekommen. Für hundeängstliche Menschen ist das sicher oft
gruselig, weil manche Hunde sehr offensiv auf die Pilger zugehen, um Liebe zu
bekommen. Hogy hat es teilweise auch schwer und versucht, ab heute immer in
unserer Nähe zu bleiben. Heute kommen wir nämlich nach Galicien und hier wurde
er ja auf seinem ersten Camino von einem Hund gebissen. Er ist jetzt allen
galicischen Hunden gegenüber voreingenommen und möchte nicht riskieren, einem
allein zu begegnen.
Weiter ging es steil
bergauf und wir konnten eine wunderschöne Aussicht genießen. Wir überquerten
die Grenze nach Galicien- Endlich waren wir in der letzten Region angekommen.
Unfassbar, wie viel Strecke wir bereits zu Fuß hinter uns gebracht haben!
Kurz darauf
erreichten wir O Cebreiro. Ein kleines altes Dorf, in dem überall Hunde und
Katzen herumlagen und mit einer gradiosen Aussicht. Was für ein Glück, dass
heute richtig gutes Wetter war. Wir setzten uns auf eine Mauer und genossen
lange die Aussicht. Wie ärgerlich wäre es gewesen, nach dem Aufstieg nur Wolken
sehen zu können.
Nach dem Essen
machten wir uns an den Abstieg, liefen aber noch einige Zeit bergauf und
bergab. Nach einer Ewigkeit erreichten wir die zweite Bergspitze und ließen uns
auf einer Mauer nieder, um uns auszuruhen. Ich lief heute zusammen mit Allan,
Hogy, Teresa und Nadja.
Die nächsten 3,5 Km
ging es immer bergab, bis wir in ein Dorf kamen, in dem eine alte Frau uns mit
Pfannkuchen erwartete. Ich wusste aus meinem Buch, dass Carmen hier wohnt und
die Pfannkuchen gegen "Spende" an die Pilger ausgab. In Wirklichkeit
fordert sie aber ganz gut Geld für die kleinen Teile und verdiente sich wohl
eine gute Rente damit. Im Sommer laufen hier ja unzählig viele Pilger durch.
Als wir alle unsere
Pfannkuchen gegessen hatten, hielt die Dame fordernd ihre Hand auf und warf
Hogy einen verärgerten Blick zu und begann zu diskutieren, als er weniger als
einen Euro gab.
Hier merkte ich,
dass mein Handy nicht mehr da war.
Ich ging zu meinem
Rucksack und durchwühlte die Fächer: Nichts. Ich hatte doch oben auf dem Berg
noch eine SMS von meiner Mama bekommen, also musste es eigentlich in meiner
Hose sein. Nichts. Ich kontrollierte jede Tasche mehrfach und musste einsehen:
Ich hatte es verloren.
Da wir nach der
Pause hinter der Bar nicht mehr angehalten hatten, müsste das Handy also noch
dort liegen. Vermutlich ist es mir aus der Hosentasche gerutscht.
Carmen kannte die
Nummer der Bar und rief freundlicherweise an.
Die Barbesitzer
guckten aber nur flüchtig vor der Tür auf die Tische und die Erklärungen, dass
sie um die Ecke gucken müssen, an der Mauer, wo wir gesessen hatten, brachten
nichts: Es läge nicht vor der Tür.
Es war bereits
Nachmittag. Noch einmal hochlaufen würde mich Stunden kosten und der Weg war
recht steil. Ein Fahrrad besitzt hier keiner und auch ein Auto ist nicht da.
Ich überlegte schon, ein Taxi zu rufen oder einfach zu heulen. Ich brauche mein
Handy, nicht nur, weil ich kein Geld für ein Neues hätte, sondern weil ich den
Kontakt zu meinem Freund brauche.
Dann fiel uns ein,
dass Kim ja irgendwo hinter uns war und glücklicherweise hatten wir Hogy hier,
denn er hatte die Nummer und konnte koreanisch. Auf Englisch hätte Kim unser
Anliegen nicht verstanden.
Er rief an und
tatsächlich: Kim war gerade wenige Meter vor der besagten Stelle und dabei, die
letzten steilen Meter zu bewältigen. Das war nun wirklich ein Zufall!
Nach wenigen Minuten
(als er wieder Luft bekam) rief er zurück und Hogy erklärte ihm, wo wir
gesessen hatten. Er sah nach und fragte "Ist es ein schwarzes
Samsung?" Als ob da ein ganzes Sammelsurium von verlorenen Telefonen
liegen würde- Aber ja, das war es! Es war auf der kleinen Mauer aus meiner
Hosentasche heraus und ins Beet gerutscht.
Das war wirklich ein Camino- Wunder!
Das war wirklich ein Camino- Wunder!
Kim hätte sonstwo
sein können und hätte ich es später bemerkt, dann wäre er vorbeigelaufen und
wenn ich es eher gemerkt hätte, hätte ich mich noch lange gedulden oder
zurücklaufen müssen. Ich war so glücklich über das perfekte Timing, dass es mir
die Freudentränen in die Augen trieb.
Wir liefen immer
weiter bergab und meine Füße schmerzten immer mehr.
Zudem wurden wir
auch noch fast von einem aggressiven Schäferhund angegriffen und ich war froh
über Kittys Stock, den ich schützend vor mich halten konnte. Ich weiß nicht, ob
er mir viel gebracht hätte, aber dieser Hund wirkte wirklich aggressiv. Das fängt
ja gut an mit den galicischen Kötern…
Danach musste ich
meine Stiefel ausziehen, weil ich es wegen der Blasen nicht mehr ertragen
konnte. Wir hatten noch über 4 Km vor uns und meine Füße taten so weh, dass ich nicht mehr weiterlaufen wollte. Die
Straßen waren schlecht und wir hatten bereits 29 Km hinter uns. Ich fühlte eine
neue Blase und merkte, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen war, den
Aufmunterungsbrief von Alex zu lesen. Den hatte sie vor der Abreise mitgegeben.
Es war herrlich, denn der Brief war
voller Zitate und lustiger Dinge, die wir zusammen erlebt hatten. Ich musste
herzlich lachen und einiges für meine Freunde übersetzen.
Danach fiel das
Laufen gleich ein bisschen leichter!
=) |
Wir durchwanderten
eine Reihe kleiner Dörfer und es war die Zeit, in der die Bauern ihre Kühe vom
Feld in die Ställe trieben. Die Tiere kamen uns auf den schmalen Wegen
entgegen. Ich liebe so etwas und hatte meine Freude daran. Nadja und Teresa
warteten auf uns, weil sie nicht allein an den großen Tieren vorbeilaufen
wollten. Nach einer weiteren Stunde kamen wir kurz vor Einbruch der Dunkelheit
endlich zur Herberge. Da es auch hier keine Küche gab, kauften wir im
Supermarkt wieder für die "kalte Küche" ein. Da es ein recht kleiner
und teurer Laden war, war der beste Deal für mich eine Dose Ravioli, die schmeckt
auch kalt. Außerdem kaufte ich eine Flasche Wein für unseren King Kim, den Held
meines Telefons.
Heute waren in der
Herberge zwei junge Männer, die auf Walz sind und in ihrer grauen
Handwerkerkluft liefen. Die Anderen kennen diese Kluft nicht und hielten die
Männer für sonderbar, aber ich konnte ihnen versichern, dass zumindest der
Kleidungsstil nicht besonders verrückt war. Wir hörten auch, dass Kitty heute
hinter uns zurückgeblieben und in einer anderen Herberge eingekehrt war. So
hatte ich sie also mitsamt ihrem Stock überholt. Morgen werde ich ihn irgendwo
auf den Weg legen, wo keine Autos fahren und hoffen, dass sie ihn findet.
Kim kam in die
Herberge, als es schon lange dunkel war. Eigentlich hatte er in einem der Orte
vor Triacastela schlafen wollen, konnte es aber nicht übers Herz bringen, mich
ohne Handy und SMS an Johannes schlafen zu lassen. Seit heute trägt er den
Namen "King Kim".
Als wir ins Bett
gehen wollten, fror Teresa so sehr, weil die Herberge nicht geheizt und ihr
Schlafsack nicht warm genug war, so dass ich kurzerhand die Gardine vom Fenster
nahm und sie damit zusätzlich zudeckte. Zuerst war sie skeptisch, aber als sie
merkte, dass es eine Menge brachte, war sie dankbar. Es sah lustig aus, war
aber effektiv.
Gardinendecke |
Großer und kleiner Pilger |
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