Muskelkater!
Das kommt wohl vom
rasanten Abstieg gestern. Ich startete morgens allein mit Allan, Hogy brauchte
noch ein bisschen Zeit und wollte in einer Bar den Tag mit Cola und Zigarette
beginnen. Er wollte uns dann einholen und wir verabredeten, uns spätestens in Ponferrada
zu treffen, weil dort der nächste Supermarkt war und wir alle dringend Essen
kaufen mussten (gestern war ja Sonntag).
Wir liefen eine
Abkürzung, da wir heute so viele Km vor uns hatten und wir auf der längeren
Route nichts verpassen würden. Außerdem trieb uns der Hunger schnell nach
Ponferrada.
Hogy würde
wahrscheinlich den längeren Weg laufen und so hatten wir viel Zeit im
Supermarkt. Wir frühstückten auf einem großen Platz, über den Hogy bald zu uns
kommen müsste. Nach 40 Minuten war er aber immer noch nicht da. Oder war er
doch schon vorbeigelaufen?
Templerburg in Ponferrada |
Wir liefen weiter
und weil wir keinen Pfeil sahen, der uns von der Straße schickte, liefen wir
weiter. Dummerweise bergauf und in die entgegengesetzte Richtung.
Wir fragten einen
Polizisten, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen und als wir den Camino
endlich wiedergefunden hatten, war sicher einer halbe Stunde verstrichen. Hogy
hatte uns jetzt mit Sicherheit überholt. Wir liefen durch ein paar Vororte und
trafen bei einer Pause auf Jonas, Alex und Richard. Richard war ein Spanier mit
einer körperlichen und geistigen Behinderung, der nur Spanisch spricht. Er ist
ein lustiger Kerl und hat herausgefunden, dass die Pilger immer lachen müssen,
wenn er strahlend die Hände in Metalmanier erhebt und dabei "Fuck
you!" ruft. Ich bin sicher, dass er keine Ahnung hat, was er da sagt, aber
er bekommt Aufmerksamkeit und das scheint ihn immer aufs Neue zu motivieren.
Wir liefen ein paar
Km gemeinsam, vorbei an vielen Schafen mit Lämmern und dann kamen wir zu einer
Weinkellerei, in der Pilger für einen Euro Wein und Empanada bekommen konnten.
Die Jungs, die übrigens auch nicht wussten, wo Hogy abgeblieben war, kehrten
dort ein und Allan und ich liefen weiter, denn wir wollten zwei Dörfer weiter
den Gratiswein abholen. Dort muss der Pilger nur ein Sprüchlein aufsagen und
bekommt dann ein Gläschen Wein.
Kurz vorher machten
wir eine Pause und aßen etwas. Als wir in den Feinkostladen des Landgasthauses
kamen, empfing uns eine Frau, die uns fragte, ob wir Wein haben wollen. Allan
sagte aber erst den Spruch auf: "Tiene un poquito de Vino para un peregrino
muerte de sed, por favor?" ("Haben sie ein bisschen Wein für einen zu
Tode durstigen Pilger, bitte?") Die Frau lachte und fragte, ob er aus
Deutschland wäre, da normalerweise nur die Deutschen von dem Satz wissen. Ich
zeigte mein Buch und sagte den Spruch auf und dann bekamen wir Wein und
Empanada, einfach so, kostenlos.
Heute musste ich
nach der Hälfte des Weges die Stiefel ausziehen und gegen die Crocs tauschen,
weil meine Füße wehtaten. Es ging eine endlos lange Zeit Hügelauf und Hügelab
durch die Natur und ich brachte Allan ein bisschen deutsch bei. Es war so
lustig und süß, wie er die Worte aussprach und wir haben sehr viel gelacht.
Sein Lieblingswort war "Ellenbogen". Er findet, dass Deutsch die
coolste Sprache der Welt ist.
Irgendwann kamen wir
endlich in Villafranca an. In der Herberge trafen wir auf Nadja. Sie war heute
den ganzen Tag allein unterwegs. Annegret muss in Molinaseca pausieren, da ihr
Bein geschwollen war und sie Ruhe brauchte.
Nadja hatte heute
einen Stalker am Hals. Er war mit seinem Auto immer einige hundert Meter
vorausgefahren und hatte auf sie gewartet. Einmal stieg er sogar aus, kam auf
sie zu und fasste ihr an die Brust. Sie war so überrascht, dass sie erst einmal
nichts sagen konnte und dann war er auch schon wieder weg. Später sah sie den
Wagen schon wieder, lief den Weg zurück und wartete, bis sie den Wagen
wegfahren sah. Dann lief sie zackig weiter und besorgte sich einen Stock, mit
dem sie sich zur Not zur Wehr setzen konnte. Zum Glück hat sie ihn aber nicht
noch einmal wiedergesehen.
Allan und ich haben
vergessen, rechtzeitig zum Supermarkt zu gehen und hatten morgens nur für das
Frühstück eingekauft. Wir mussten unsere Reste zusammenkratzen und morgen
gucken, wie wir über die Runden kommen, da wir viele Km vor uns haben und nicht
auf die Öffnung des Ladens warten können.
Am Abend machten wir
noch einmal unser Salz- Essigfußbad, das mittlerweile überhaupt nicht mehr
brennt, und gingen dann, nachdem wir den Herbergshund lange belagert hatten,
ins Bett.
Hogy kam übrigens
eine Stunde nach uns in der Herberge an, er hatte uns also doch nicht überholt.
Er kam mit Jonas und Kim in der Dunkelheit an.
Netter Herr in Ponferrada |
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