Freitag, 8. März 2013

8. März- Villar de Mazarife (ca. 22Km)


Heute hatten wir nur 22 Km vor uns, anders ging es von der Routenplanung her nicht. Wir starteten nach einem guten Frühstück in der Herberge. Es gab Baguette, leckere Marmelade, Kakao, Kaffee, Kekse und was die Pilger so auf den Tisch legten. Da fast alle mit am Tisch saßen, waren wir eine recht große Pilgerschar, die gemeinsam aufbrach, um die Stadt hinter sich zu lassen. Schnell löste sich der Haufen aber auf, da einige einen Supermarkt suchten, Andere noch in eine Bar einkehrten und auch ein paar Radfahrer dabei waren.
Wir liefen und liefen und die Stadt wollte kein Ende nehmen. Das ist das Schlimme an großen Städten, man muss die komplett durchlaufen und merkt besonders, wie groß sie sind. Ständig läuft man an großen und viel befahrenen, lauten Straßen entlang, muss an der Ampel auf grün warten (oder sie nach spanischer Sitte ignorieren und einfach überqueren) und Pfeile suchen. Das ist nicht besonders entspannt und bringt wenig Pilgerfreude.

Nach 7,5 Km waren wir in einem Vorort und machten auf einer Bank Pause. Wir waren dort schon einige Hügel rauf- und runtergelaufen und mussten uns einfach mal setzen. Allan kaufte sich Oropax, da wir jetzt zunehmend mit Schnarchern und Frühaufstehern den Schlafraum teilten.

Danach ging es endlich wieder durch ruhige Orte. Auf Wiesen standen angeleinte Pferde und wir konnten auch ein Fohlen streicheln, das bei seiner Mutter stand. Die anderen Pferde standen zu weit weg und das Fohlen interessierte uns ohnehin am Meisten. Auf Schotterpisten ging es weiter  auf und ab.
An einem netten Rastplatz ein paar Km später (wir rechnen nur in Kilometern, nicht in Stunden) machten wir eine ausgiebige Mittagspause. Wir laufen weiterhin recht viel getrennt, aber oft in Sichtweite und treffen uns an den Rastplätzen, um gemeinsam Siesta zu halten. In einem Dorf machten wie einen Siesta und schliefen eine Runde. Es standen ein paar Bänke um einen Brunnen, sonnig und gemütlich.
Wir hatten zwar nur noch 4 Km zu laufen, aber auch so viel Zeit, dass wir uns diese Auszeiten gönnen. Meistens haben wir in den Herbergen auch nicht viel zu tun, also warum sollten wir darauf achten, besonders früh anzukommen?

Vor der Herberge empfing uns ein großes "Wikingerschiff" aus verrosteten Materialien. Vermutlich wurde es aus irgendwelchen Resten kunstvoll zusammengesetzt. Innen waren alle Wände mit bunten Bildern und Sprüchen bemalt und vollgetextet. In den verschiedensten Sprachen konnte man hier kleine Weisheiten und auch Liebesbekundungen von gemeinsam pilgernden Paaren lesen.

Auf der großen Terrasse genossen wir gemeinsam mit den anderen Pilgern die Sonne und entspannten. Die beiden Deutschen (Annegret und Nadja), Jonas (aus Dänemark) und Kim aus Südkorea, der lauteste Schnarcher der Welt, waren auch hier untergebracht. Später kam noch Alex dazu, ein Brite mit coolem und typischem Akzent.
Auf dem Weg zum Supermarkt musste ich wieder Halt bei zwei Hunden machen, die über mich herfielen und sich stritten, wenn ich nur Einen von Beiden streichelte. Also musste ich mit jeder Hand einen Hund streicheln. Ich konnte mich kaum von Ihnen lösen, aber da keiner so genau wusste, wo der Laden ist und ich nicht allein verlorengehen wollte, habe ich mich losgerissen und bin mit den Anderen mitgegangen.

Abends saßen wir lange in der Küche. Annegret, Nadja, Allan, Hogy und ich philosophierten über den Jakobsweg und die Gründe, ihn zu laufen. Ich habe zwar keine ausgeprägt tiefen Gedanken beim Laufen und das Gefühl, dass das Tiefsinnige ein bisschen an mir vorübergeht, aber es ist okay so, wie es ist und ich kann und will mich auch nicht dazu zwingen. Mein Weg ist jetzt anders als erwartet. Ich dachte, ich wäre viel allein und für mich, stattdessen habe ich richtig tolle Freunde gefunden, mit denen ich den Weg genieße und es ist perfekt so, wie es ist. Ich träume, wenn ich allein laufe, mehr von der Zukunft, als zurück zu blicken. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich sehr zufrieden mit meinem Leben bin und über die meisten Bereiche, in denen etwas schiefgelaufen ist, schon vor der Reise oft und viel nachgedacht habe.
Das ist natürlich auch eine wertvolle Erkenntnis, keine Frage. Viele Pilger sind auf der Suche nach Etwas, wie dem Sinn des Lebens, einer Perspektive oder so. Ich habe eine gute Beziehung, studiere für meinen Traumberuf und meine Berufung. Auch das ist viel wert, wo doch viele Menschen nicht so genau wissen, ob das, was sie lernen, das Richtige ist. Ich habe nicht den geringsten Zweifel. Außerdem habe ich einen tollen
Job und kann mich auch sonst nicht großartig beklagen, außer dass ich vielleicht gern wieder in Hamburg statt im Siegerland wohnen würde. Aber die verbleibende Zeit ist absehbar und danach geht es hoffentlich zurück in die Heimat.
Auf meinem Weg bewundere ich die Natur, ärgere mich über doofe Schotterpisten, verbessere mein Englisch, erfreue mich an den Menschen und Tieren und genieße das Leben in vollen Zügen. Wenn die Blasen nicht wären, hätte ich auch körperlich nicht zu klagen. Mein Rucksack sitzt super, ich habe keine Muskel- oder Gelenkprobleme und dafür bin ich dankbar.


An den Wänden sind einige Sprüche von Paaren, die den Weg gemeinsam gehen. Über einem gezeichnetem Pärchen steht "Feuerprobe" und das ist es sicher auch. Aber bestimmt ist es auch wunderschön, mit dem Partner zu laufen. Ob ich das jemals tun werde?
Ob ich den Camino überhaupt noch einmal gehen werde? Wer weiß das schon…
Wir begegnen seit ein paar Tagen immer wieder einem spanischen Paar in den 40ern, die im absoluten Partnerlook laufen. Der gleiche Rucksack, der gleiche Schlafsack, die gleiche Kleidung. Nur die Schuhe haben verschiedene Farben, aber das Modell ist das Gleiche. Das ist richtig süß, auch wenn das überhaupt nichts für mich wäre. Ob die sich im echten Leben wohl auch so kleiden?



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