Heute hatten wir nur
22 Km vor uns, anders ging es von der Routenplanung her nicht. Wir starteten
nach einem guten Frühstück in der Herberge. Es gab Baguette, leckere Marmelade,
Kakao, Kaffee, Kekse und was die Pilger so auf den Tisch legten. Da fast alle
mit am Tisch saßen, waren wir eine recht große Pilgerschar, die gemeinsam
aufbrach, um die Stadt hinter sich zu lassen. Schnell löste sich der Haufen
aber auf, da einige einen Supermarkt suchten, Andere noch in eine Bar
einkehrten und auch ein paar Radfahrer dabei waren.
Wir liefen und
liefen und die Stadt wollte kein Ende nehmen. Das ist das Schlimme an großen
Städten, man muss die komplett durchlaufen und merkt besonders, wie groß sie
sind. Ständig läuft man an großen und viel befahrenen, lauten Straßen entlang,
muss an der Ampel auf grün warten (oder sie nach spanischer Sitte ignorieren
und einfach überqueren) und Pfeile suchen. Das ist nicht besonders entspannt
und bringt wenig Pilgerfreude.
Nach 7,5 Km waren
wir in einem Vorort und machten auf einer Bank Pause. Wir waren dort schon
einige Hügel rauf- und runtergelaufen und mussten uns einfach mal setzen. Allan
kaufte sich Oropax, da wir jetzt zunehmend mit Schnarchern und Frühaufstehern
den Schlafraum teilten.
Danach ging es
endlich wieder durch ruhige Orte. Auf Wiesen standen angeleinte Pferde und wir
konnten auch ein Fohlen streicheln, das bei seiner Mutter stand. Die anderen
Pferde standen zu weit weg und das Fohlen interessierte uns ohnehin am Meisten.
Auf Schotterpisten ging es weiter auf
und ab.
An einem netten
Rastplatz ein paar Km später (wir rechnen nur in Kilometern, nicht in Stunden)
machten wir eine ausgiebige Mittagspause. Wir laufen weiterhin recht viel
getrennt, aber oft in Sichtweite und treffen uns an den Rastplätzen, um
gemeinsam Siesta zu halten. In einem Dorf machten wie einen Siesta und
schliefen eine Runde. Es standen ein paar Bänke um einen Brunnen, sonnig und
gemütlich.
Wir hatten zwar nur
noch 4 Km zu laufen, aber auch so viel Zeit, dass wir uns diese Auszeiten
gönnen. Meistens haben wir in den Herbergen auch nicht viel zu tun, also warum
sollten wir darauf achten, besonders früh anzukommen?
Vor der Herberge
empfing uns ein großes "Wikingerschiff" aus verrosteten Materialien.
Vermutlich wurde es aus irgendwelchen Resten kunstvoll zusammengesetzt. Innen
waren alle Wände mit bunten Bildern und Sprüchen bemalt und vollgetextet. In
den verschiedensten Sprachen konnte man hier kleine Weisheiten und auch
Liebesbekundungen von gemeinsam pilgernden Paaren lesen.
Auf der großen
Terrasse genossen wir gemeinsam mit den anderen Pilgern die Sonne und
entspannten. Die beiden Deutschen (Annegret und Nadja), Jonas (aus Dänemark)
und Kim aus Südkorea, der lauteste Schnarcher der Welt, waren auch hier
untergebracht. Später kam noch Alex dazu, ein Brite mit coolem und typischem
Akzent.
Auf dem Weg zum
Supermarkt musste ich wieder Halt bei zwei Hunden machen, die über mich
herfielen und sich stritten, wenn ich nur Einen von Beiden streichelte. Also
musste ich mit jeder Hand einen Hund streicheln. Ich konnte mich kaum von Ihnen
lösen, aber da keiner so genau wusste, wo der Laden ist und ich nicht allein
verlorengehen wollte, habe ich mich losgerissen und bin mit den Anderen
mitgegangen.
Abends saßen wir
lange in der Küche. Annegret, Nadja, Allan, Hogy und ich philosophierten über
den Jakobsweg und die Gründe, ihn zu laufen. Ich habe zwar keine
ausgeprägt tiefen Gedanken beim Laufen und das Gefühl, dass das Tiefsinnige ein
bisschen an mir vorübergeht, aber es ist okay so, wie es ist und ich kann und
will mich auch nicht dazu zwingen. Mein Weg ist jetzt anders als erwartet. Ich
dachte, ich wäre viel allein und für mich, stattdessen habe ich richtig tolle
Freunde gefunden, mit denen ich den Weg genieße und es ist perfekt so, wie es
ist. Ich träume, wenn ich allein laufe, mehr von der Zukunft, als zurück
zu blicken. Vielleicht liegt das auch daran, dass ich sehr zufrieden mit meinem
Leben bin und über die meisten Bereiche, in denen etwas schiefgelaufen ist,
schon vor der Reise oft und viel nachgedacht habe.
Das ist natürlich
auch eine wertvolle Erkenntnis, keine Frage. Viele Pilger sind auf der Suche
nach Etwas, wie dem Sinn des Lebens, einer Perspektive oder so. Ich habe eine
gute Beziehung, studiere für meinen Traumberuf und meine Berufung. Auch das ist
viel wert, wo doch viele Menschen nicht so genau wissen, ob das, was sie
lernen, das Richtige ist. Ich habe nicht den geringsten Zweifel. Außerdem habe
ich einen tollen
Job und kann mich
auch sonst nicht großartig beklagen, außer dass ich vielleicht gern wieder in
Hamburg statt im Siegerland wohnen würde. Aber die verbleibende Zeit ist
absehbar und danach geht es hoffentlich zurück in die Heimat.
Auf meinem Weg
bewundere ich die Natur, ärgere mich über doofe Schotterpisten, verbessere mein
Englisch, erfreue mich an den Menschen und Tieren und genieße das Leben in
vollen Zügen. Wenn die Blasen nicht wären, hätte ich auch körperlich nicht zu
klagen. Mein Rucksack sitzt super, ich habe keine Muskel- oder Gelenkprobleme
und dafür bin ich dankbar.
An den Wänden sind
einige Sprüche von Paaren, die den Weg gemeinsam gehen. Über einem gezeichnetem
Pärchen steht "Feuerprobe" und das ist es sicher auch. Aber bestimmt
ist es auch wunderschön, mit dem Partner zu laufen. Ob ich das jemals tun werde?
Ob ich den Camino
überhaupt noch einmal gehen werde? Wer weiß das schon…
Wir begegnen seit
ein paar Tagen immer wieder einem spanischen Paar in den 40ern, die im
absoluten Partnerlook laufen. Der gleiche Rucksack, der gleiche Schlafsack, die
gleiche Kleidung. Nur die Schuhe haben verschiedene Farben, aber das Modell ist
das Gleiche. Das ist richtig süß, auch wenn das überhaupt nichts für mich wäre.
Ob die sich im echten Leben wohl auch so kleiden?
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