Gestern Abend habe
ich meiner Freundin und Arbeitskollegin Steffi eine SMS geschrieben, um
Bescheid zu sagen, dass ich am Sonntag Abend wieder in Deutschland sein werde,
damit ich ggf. noch in den Dienstplan eingetragen werden kann. Daraufhin hat
sie mich angerufen und wir haben lange telefoniert. Das war richtig schön!
Heute morgen habe
ich mich allein auf den Weg in die Stadt gemacht. Ich brauche Schuhe und eine
Hose. In den Stiefeln will ich nicht mehr laufen und die Crocs sind ja kaputt.
Ebenso wie meine Hose, die seit Wochen im Schritt durchgescheuert ist und die ich
seit einigen hundert Kilometern mit Tape kleben musste, weil sie ein großes
Loch hatte.
Ich bin erst einmal
eine ganze Weile durch die Stadt geirrt, ohne einen Stadtteil mit
Kleidergeschäften zu finden. Noch hatte aber ohnehin kein Geschäft geöffnet,
also lief ich zurück zur Kathedrale, um in der Touristeninformation zu
erfragen, wo ich einkaufen könnte. Ich erfuhr, wo die "commercial
Area" war und stiefelte los. Irgendwie fand ich aber nur Schuhläden mit
schrecklichen Schuhen, in die ich kein Geld investieren wollte. Ich fand einen
Billigladen, in dem ich ein Paar "Chucks" im Jeanslook bekam. In Kombination mit der
Jeans, die ich gekauft hatte, sah das war nicht so super aus, aber dafür haben
die Schuhe nur 12€ gekostet und außerdem bin ich Pilger. Deswegen zog ich mich
auch auf offener Straße aus (ich hatte eine Radlerhose drunter!) und wechselte
Hose und Schuhe. Ob die Menschen so etwas hier öfter sehen?
Nach 35 Tagen in
Wanderhose und Regenhose fühlte sich eine engen Jeans ganz ungewohnt an und
auch nicht mehr so pilgerig. Auch die anderen fanden meinen Anblick ungewohnt.
Das Laufen durch die
Stadt war richtig anstrengend und stressig. Nach über einem Monat hauptsächlich
in Natur, Dörfern und kleinen Ortschaften stressten mich all die Leute, die
Autos, der Krach und der Gestank der Stadt.
Ich war froh, als
ich meine Einkäufe erledigt hatte und lief zur Kathedrale, um die Anderen zu
treffen. Wir gingen in die Messe. Wir setzten uns in ein Seitenschiff, für den
Fall, dass der Botafomeiro, der berühmte Riesen- Weihrauchkessel heute
geschwenkt würde. Eine Pilgerin, die
wohl schon einmal hiergewesen war oder mehr als wir über die Prozedur gelesen
hatte, eilte herbei und ließ alle Pilger in der Umgebung herumrutschen, damit
jeder eine gute Sicht auf den Kessel hatte. Wir mussten an den Rand der Bank
rutschten und setzten uns, als die Frau vorbeigezogen war, wieder so hin, wie
es uns gefiel. Sollte der Kessel gewirbelt werden, dann würden wir schon
zusammenrutschen. Kim setzt sich neben uns.
Eine Nonne kam nach
vorn und sagte, dass der Kessel heute nicht geschwenkt werden würde und lud uns
ein, uns umzusetzen. Aber dazu hatten wir keine Lust. Sie brachte uns 20
Minuten lang seltsam monotone Gesänge bei, damit wir bei der Messe fröhlich
mitsingen konnten. Ich vermisse meine Kirche, da singt man echte Lieder und
nicht nur langgezogene, lateinische Worte.
Allan verlor schon
während der Übungseinheit die Lust auf die Messe. Als es dann endlich losging,
wurde verlesen, welche Pilger Santiago erreicht hatten, woher sie kamen und wo
sie gestartet sind. Aber leider wurden nur die Namen der Pilger verlesen, die
heute vor der Messe im Pilgerbüro die Compostela abgeholt hatten. Wir Helden,
die gestern erst am Mittag angekommen
waren, wurden einfach ignoriert, dabei hatten wir gefühlt viele tausend
Kilometer hinter uns und verdienten es, geehrt zu werden. Wir wussten zwar,
dass das passieren würde (Alex hatte uns gesagt, dass nur die Pilger vom Morgen
verlesen werden), aber ein bisschen beleidigt waren Allan und ich trotzdem.
Die Messe war
fürchterlich langweilig, weil ich ja nichts verstand und Allan kein Interesse
hatte, also fingen wir an zu flüstern. Wir synchronisierten den Priester und
lachten und kicherten ein bisschen, versuchten aber, uns zu beherrschen, falls
Andere der Messe folgen wollten. Kim spielte die ganze Zeit mit seinem iphone,
er kann ja auch kein Spanisch. Er sah sich Fotos und SMS an. Zwischendurch
sangen wir bei den Gesängen aber im Tenor mit (ich bin ein bisschen heiser).
Dann standen alle
auf, schüttelten den Leuten in der Umgebung die Hände und wünschten sich
Frieden.
Dann kam der Moment,
in dem viele weinten - Und Allan und ich hatten den Grund dafür verpasst. War
die Messe so ergreifend gewesen? Oder war es die Messe als symbolisches Ende der
Pilgerreise? Kurz nach dem Händeschütteln,
als alle wieder saßen, schaute Kim von seinem iphone hoch und sah, dass noch
Menschen weinten. Dann fing auch er an zu weinen.
Nach der Messe
verabschiedeten wir uns von den meisten Pilgern, die wir auf unserer Reise
kennengelernt und hier wiedergetroffen hatten. Einige würden heute wieder nach
Hause fliegen.
Allan, Hogy, Jonas,
Kim, Nadja, Annegret und ich gingen mit Sandra, die uns alle einlud, weil sie
noch Geld übrig hatte und es gern so wollte, in ein Café, aßen Snacks und
tranken Bier. Wir saßen draußen und
genossen die Sonne.
Auf dem Weg zum Café
kamen wir an einem Laden vorbei, indem wir die Tarte de Santiago (ein
Mandelkuchen), diverse Kekse, Schnäpse und Wein probieren konnten. Alles
kostenlos und gekauft haben wir dann auch nichts, das ist eben das Geschäft mit
den Touristen.
Wir saßen lange im
Café, bis wir uns nach ein paar Stunden aufrafften, um die letzten Besorgungen
zu erledigen. Allan und ich machten uns auf die Suche nach einer Halskette für
seine Freundin und ich wollte auch gern eine kaufen.
Wir verabredeten uns
alle für 18 Uhr an der Kathedrale, um zu versuchen, einen Platz im Gratis-
Pilger- Essen- Hotel- Service- Angebot zu bekommen. Das ist ein Angebot vom
*****- Hotel neben der Kathedrale, die nach einer alten Tradition jeden Tag 10
Pilger zum Frühstück, Mittag- und Abendessen einladen. Dazu muss man sich unten
an der Garage melden und isst dann in einem separaten Raum. Hogy kannte das von
seiner letzten Pilgerreise und das Essen war wohl ganz gut.
Allan und ich zogen
durch die Läden und fanden allerhand Touristenzeug und teure Ketten. Keine
Chance, da etwas mit nach Hause zu bringen, was nicht übermäßig kitschig war.
Wir fanden Anhänger, die uns aber zu teuer waren und verglichen die Preise in
den verschiedenen Läden. Unglaublich, wie die Preisunterschiede sind. Wir sahen
den gleichen Anhänger zwischen 25 und 47€.
Irgendwann fanden
wir einen kleinen Laden, der die Kette relativ günstig hatte und ich kaufte mir
auch eine kleine Muschelhalskette.
Danach liefen wir
zurück zur Herberge, weil Allan seinen
Pilgerausweis brauchte, damit er im Hotel mitessen konnte und wir brachten auch
den von Nadja mit.
Wir waren
tatsächlich die Ersten an der Hotelgarage und dann gesellten sich noch zwei
junge Deutsche dazu, die den portugiesischen Pilgerweg gelaufen waren.
Zu Essen gab es
Spiegeleier und Schinken mit einem Salat und zum Nachtisch eine Scheibe
Dosenananas. Ob man das ein 5 Sternetaugliches Essen nennen kann, ist fraglich,
aber vielleicht gibt es auch einen Extra Pilgerkoch. Aber wir wollen nicht
meckern, das Essen ist gratis und die Tradition ehrenwert.
Sandra hat mir heute
wieder Shampoo und Duschgel aus dem Hotel mitgebracht.
Nach dem Essen
trafen wir vor dem Hotel noch eine Reihe Pilger, von denen die meisten von uns
nur German kannten. Den hatten wir ja in Leon kennengelernt.
Heute Nachmittag
hatte ich ihn schon mit Allan getroffen. Da ist etwas "lustiges"
passiert: Eine blinde Frau kam die Straße entlang und tastete sich mit ihrem
Stock vorwärts. Da Pilgerrucksäcke aber so ausladend sind, ist sie genau in den
Rucksack von German gerannt. Allan, der mit dem Rücken zur Frau stand, fing an
zu lachen, weil er dachte, dass irgendjemand reingelaufen wäre, ohne
hinzusehen. Besonders er, der ja so laut gelacht hatte, hatte hinterher ein
furchtbar schlechtes Gewissen.
Nachdem wir uns mit
den anderen Pilgern unterhalten hatten, legten wir uns vor die beleuchtete
Kathedrale, um sie kopfüber zu betrachten. Das war ein Tipp aus Annegrets
Pilgerführer, der eine neuere Auflage als meine war. Die Kathedrale sieht aus
der Perspektive wirklich noch einmal ganz anders und beeindruckend aus und wir
lagen eine Weile herum.
Danach gingen wir
zurück zur Herberge und deckten uns auf dem Weg mit Alkohol und Verpflegung für
die morgige Reise nach Finisterre ein. Dann setzten wir uns auf die Treppe vor
der Herberge, tranken und unterhielten uns. Danach setzten wir uns in die Küche
und die Meisten tranken weiter. Jonas hatte einen Whiskey und Hogy eine Art
Baileys gekauft und die Flaschen wurden herumgereicht.
Ich hatte aber keine
Lust, mich zu betrinken und trank nur Alsterwasser (also Radler, für die
südländischen Leser) und nur ein wenig von den anderen Getränken. Kim fing an-
er war schon recht betrunken- versaute Witze zu erzählen, die Hogy übersetzen
musste. Dabei musste er oft so lachen, dass er die Pointen versaute und wir nur
die Hälfte verstanden. Es war ein lustiger und heiterer Abend und gegen halb 12
gingen wir nach oben, um langsam schlafen zu gehen. Morgen früh will ich mit
Allan, Hogy und Kim den Bus um 10 Uhr ans Meer nehmen.
Etwas verzerrtes Panoramafoto |
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen