Als ich heute morgen
aufwachte, habe ich zuerst nachgeschaut, ob meine Klamotten trocken sind.
Erwartungsgemäß waren sie es nicht. Ich würde also notgedrungen die dünnen
Socken anziehen müssen, die ich eigentlich nicht zum Wandern eingeplant hatte,
denn auch die Socken im Schlafsack dachten nicht ans Trocknen. Vor ein paar
Tagen, als das T- Shirt den Abgang in den Fluss gemacht hatte (wann auch immer
das war, theoretisch könnte es Wochen her sein), hatte ich die dünnen Socken
kurz anprobiert und direkt wieder gegen die dicken Wandersocken getauscht.
Ich klebte die Zehen
zur Sicherheit mit Tape ab und hoffte, nicht zu sehr in den Schuhen zu
herumzurutschen und schmierte meine Füße mit Hirschtalg ein. Das wollte ich
ohnehin jeden Abend machen, vergesse es aber ständig. Ebenso wie meine
Magnesiumtabletten.
Morgens ist das
Packen immer eine kleine, aufwändige Zeremonie. Der Rucksack ist super, hat
aber keine Seitentaschen für Kleinkram (nur enge Taschen vorn, wo aber nicht
viel reinpasst), also habe ich alles im Hauptfach des Rucksacks.
Damit der Schlafsack
nach ganz unten kann, muss ich alles vorher leerräumen und auf dem Bett so
falten oder packen, dass ich es klug in den Rucksack bekomme. Sicher ginge das
auch weniger aufwändig, aber so kontrollier ich immer gleich, ob ich auch alles
eingepackt habe. Nicht, dass ich mal Kleidung, Handtuch oder so vergesse und
irgendwie macht mir die Prozedur auch Spaß.
Heute lief ich mit
Allan, Hogy und Dalvo los, hängte die 3 aber schnell ab und genoss es, mal ganz
allein zu sein. Weder vor noch hinter mir konnte ich jemanden sehen. Das hatte
ich noch nie. Ich lief durch die Natur und über eine nicht befahrenen Straße,
die wohl ein paar Dörfer miteinander verbindet.
Ich dachte ein
bisschen nach und entdeckte mein eigenes Wohlfühltempo, denn hier konnte ich
mich ja an niemandem orientieren. Nach etwa 7 Km machte ich, nachdem ich am
pausierenden René vorbeigelaufen war, einen Halt am Wegesrand und breitete
meine nassen Klamotten in der Sonne aus. In dem kalten Waschraum der Herberge
waren die Kleider nicht einmal annähernd getrocknet und so schleppte ich die
schweren, nassen Sachen herum.
Kaum hatte ich die
Kleider ausgebreitet, verschwand die Sonne natürlich hinter einer Wolke. Ich
glaube, ich habe von oben auch ein leises Lachen gehört. Und kurz darauf bekam
auch René die Möglichkeit, mich zu verspotten, denn er kam kurz nachdem ich mein
Lager aufgeschlagen hatte, vorbei und sah meine Sachen im Schatten liegen. So
packte ich die Sachen kurzerhand wieder ein- die Socken hingen am Rucksack und
trockneten beim Laufen- und lief mit ihm weiter.
Er überlegte seit
Beginn der Reise, sich einen Stock zuzulegen und so hielten wir Ausschau. Wir
entdeckten bald ein großes Baumgestrüppgewächs, dem man vielleicht einen
geeigneten Stock entlocken könnte. Wir kämpften uns durch brusthohe Pflanzen
und nach nur 15 Minuten war der Stock mit dem nicht so guten Taschenmesser, das
er kaufen musste, weil seines ihm am Flughafen abgenommen wurde, abgetrennt.
Wissen, wo es langgeht |
Weiter ging es über
Schotterpisten und langsam nervt es, immer auf den Boden achten zu müssen und
darauf, wohin man tritt. Dann ging es eine steile Anhöhe hinauf. Da mein
Laufpulli klitschnass im Rucksack lag und ihn unnötig beschwerte, musste ich
(um den anderen Pulli nicht vollzuschwitzen) mit Jacke und Regenjacke laufen,
um einigermaßen wetterfest gekleidet zu sein. Darin wurde mir beim Anstieg erst
richtig warm und ich freute mich auf den Rastplatz, den mein schlaues Buch für
die Anhöhe angekündigt hatte und glücklich fiel ich oben auf die Steinliege.
Meine Sachen konnten
in der 1,5 Stunden- Siesta in Ruhe trocknen. Die Anderen kamen nach und nach an
und gesellten sich zu uns, ruhten sich aus oder machten ein Nickerchen. Wir
genossen alle die Pause und diesen Platz. Die Steinliegen waren aber auch sehr
gemütlich.
René bearbeitete
seinen Stock, damit sie gute Weggefährten werden konnten und wir unterhielten
uns.
Meine Wandersocken
waren unterwegs getrocknet und ich konnte sie endlich wieder anziehen. Das
Laufen mit den dünnen Socken hat mir eine kleine Blase an der Ferse
eingebracht, die ich bisher nur sehen und nicht fühlen kann, also halb so wild.
Ansage am Rastplatz |
Pilgerstab aus Renés Resten |
Heute haben wir
einen Koch in der Pilgergruppe und er bot an, für uns alle zu kochen. Also
legten wir zusammen -Jeder gab 3€ und wir zogen in einer Gruppe los Richtung
Supermarkt, um zu gucken, was wir essen wollten und um unsere Einkäufe für den
morgigen Sonntag zu erledigen.
Da ich viele
Käsesorten nicht mag und die Wurst irgendwie gruselig finde (weil ich auch nie
weiß, was genau drin ist) gab es bisher fast nur dünne Geflügelwurst. Gestern
kaufte ich eine dicke Wurstrolle (ähnlich einer Fleischwurst), aber die
überzeugte mich auch nicht und so ließ ich sie in der Herberge für die
nachfolgenden Pilger. Ich kaufte stattdessen- und das ist ebenso eklig wie geil
und verrückt- eine Tube Schokosauce!
Die Verpackung aus
Plastik, ein guter Verschluss: Perfekt. Zuerst hatte ich mir Honig ausgesucht,
aber die Schokosauce hat mich dann überzeugt. Ich habe noch ein paar
staubtrockene "Milchbrötchen", für die ich Belag brauche. Die
Schokosauce wird einige Tage halten und so werde ich nur Baguette kaufen müssen
und komme echt günstig dabei weg. Es gibt ja leider nur weißes Baguette. Kein
Körnerbrot oder so…
Zurück in der
Herberge schnitten wir die Zutaten klein. Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und
Knoblauch. Alles in großen Mengen. Es dauerte über 2 Stunden, bis das Essen
fertig war, denn der gute Mann hatte nur eine Küchenzeile zur Verfügung und somit sehr wenig Platz. Es gab 3 Hühnchen, die ohne Ofen gegart werden mussten.
Etwa die Hälfte des Essens |
Das Essen war
einfach grandios. Eine sehr leckere Knoblauchbaguettesuppe als Vorspeise.
Außerdem eine Nudelpfanne vom Hospitalero (mit Calamares oder so. Es roch schon
so meeresmäßig, aber ich hatte beim Einkaufen nichts gesehen und dachte ich
bilde es mir ein, wurde dann aber aufgeklärt und musste gestehen, es war gut!).
Und dann ein Kartoffelgericht mit Hühnchen und einer megaguten Sauce. Zum
Nachtisch haben wir Pudding geholt, weil wir noch so viel Geld übrig hatten und
von den restlichen 17€ wurde Rotwein für Alle gekauft. Das war so viel, dass
jeder mehr als genug bekam.
Da wir so lange auf
das Essen warten mussten und so einen tollen Abend zusammen verbrachten (wir
waren bestimmt 20 Leute in der Herberge) haben wir völlig vergessen, die Kirche
zu besuchen, in der 2 Hühner in einem Käfig sitzen. Nach der Legende des Ortes,
von der es offenbar mehrere Versionen gibt, rettete der heilige Domingo einen
zu Unrecht erhängten Jüngling, der am Galgen hing, indem er den Jungen von
unten stützte. Der Richter im Ort sagte, als man ihm das erzählte, der Junge sei
so tot wie die beiden Hühner auf seinem Teller und weil der Junge ja lebte,
flogen ihm plötzlich die Hühnchen davon.
Seitdem (oder seit
irgendwann) hält man in der Kirche im Ort 2 Hühner im Käfig und wenn der Hahn
kräht, wenn ein Pilger in die Kirche kommt, heißt das, dass er gesund in
Santiago ankommen wird.
Daraus schließe ich
2 Dinge:
1. Da ich nicht in der Kirche
war, werde ich selbst herausfinden müssen, ob ich heil ankomme
2. Eines der Hühner ist ein Hahn
Nicht das Richterhuhn, sondern Unseres |
Morgen früh öffnet die Kirche erst um 10 Uhr, wir werden sie also nicht mehr besuchen können. Und den
Spaniern traue ich zu, dass auch bei Kirchen 10 Uhr ein dehnbarer Begriff ist.
Heute Abend sind wir
echt viele Leute. Einige, die wir schon kennen und viele Neue. Da ist auch ein
älterer, kleiner und vollbärtiger Mann in der Herberge, der angeblich bereits
seit 3 Jahren unterwegs ist und jetzt von Santiago aus nach Rom läuft.
Der Australier hatte
sich für heute die Sandalen von René ausgeliehen und hat immer noch ganz
kaputte Füße und Schmerzen. Ich weiß nicht, warum er nicht mal etwas kürzer
tritt und sich etwas erholt. Ewig macht der Körper das nicht unbedingt mit.
Wir saßen lange an
der großen Tafel zusammen, unterhalten uns und hatten eine Menge Spaß. Scrat
bekam von den Anderen Bier, Limo und Zigaretten und hat sich gut in die Gruppe
integriert.
Es war bisher einer
der schönsten Abende überhaupt.
Aber auch heute bin
ich wieder die Letzte, die ins Bett geht. Nur der alte Dauerpilger liegt noch
auf dem Sofa und spielt mit seinem Handy. Er scheint da auch schlafen zu
wollen. Nach dem Tagebuchschreiben schleiche ich mich ins Bett.
Hallo Frau Holle,
AntwortenLöschenwas für ein Buch (Reiseführer) hattest du?
Gruß
Route66111
Den Outdoor "Jakobsweg: Jakobsweg Camino Frances" von Raimund Joos und Michael Kasper :)
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