Montag, 25. Februar 2013

25. Februar- Santo Domingo de la Calzada (ca. 22Km)


Als ich heute morgen aufwachte, habe ich zuerst nachgeschaut, ob meine Klamotten trocken sind. Erwartungsgemäß waren sie es nicht. Ich würde also notgedrungen die dünnen Socken anziehen müssen, die ich eigentlich nicht zum Wandern eingeplant hatte, denn auch die Socken im Schlafsack dachten nicht ans Trocknen. Vor ein paar Tagen, als das T- Shirt den Abgang in den Fluss gemacht hatte (wann auch immer das war, theoretisch könnte es Wochen her sein), hatte ich die dünnen Socken kurz anprobiert und direkt wieder gegen die dicken Wandersocken getauscht.
Ich klebte die Zehen zur Sicherheit mit Tape ab und hoffte, nicht zu sehr in den Schuhen zu herumzurutschen und schmierte meine Füße mit Hirschtalg ein. Das wollte ich ohnehin jeden Abend machen, vergesse es aber ständig. Ebenso wie meine Magnesiumtabletten.
Morgens ist das Packen immer eine kleine, aufwändige Zeremonie. Der Rucksack ist super, hat aber keine Seitentaschen für Kleinkram (nur enge Taschen vorn, wo aber nicht viel reinpasst), also habe ich alles im Hauptfach des Rucksacks.
Damit der Schlafsack nach ganz unten kann, muss ich alles vorher leerräumen und auf dem Bett so falten oder packen, dass ich es klug in den Rucksack bekomme. Sicher ginge das auch weniger aufwändig, aber so kontrollier ich immer gleich, ob ich auch alles eingepackt habe. Nicht, dass ich mal Kleidung, Handtuch oder so vergesse und irgendwie macht mir die Prozedur auch Spaß.

Heute lief ich mit Allan, Hogy und Dalvo los, hängte die 3 aber schnell ab und genoss es, mal ganz allein zu sein. Weder vor noch hinter mir konnte ich jemanden sehen. Das hatte ich noch nie. Ich lief durch die Natur und über eine nicht befahrenen Straße, die wohl ein paar Dörfer miteinander verbindet.
Ich dachte ein bisschen nach und entdeckte mein eigenes Wohlfühltempo, denn hier konnte ich mich ja an niemandem orientieren. Nach etwa 7 Km machte ich, nachdem ich am pausierenden René vorbeigelaufen war, einen Halt am Wegesrand und breitete meine nassen Klamotten in der Sonne aus. In dem kalten Waschraum der Herberge waren die Kleider nicht einmal annähernd getrocknet und so schleppte ich die schweren, nassen Sachen herum.
Kaum hatte ich die Kleider ausgebreitet, verschwand die Sonne natürlich hinter einer Wolke. Ich glaube, ich habe von oben auch ein leises Lachen gehört. Und kurz darauf bekam auch René die Möglichkeit, mich zu verspotten, denn er kam kurz nachdem ich mein Lager aufgeschlagen hatte, vorbei und sah meine Sachen im Schatten liegen. So packte ich die Sachen kurzerhand wieder ein- die Socken hingen am Rucksack und trockneten beim Laufen- und lief mit ihm weiter.
Er überlegte seit Beginn der Reise, sich einen Stock zuzulegen und so hielten wir Ausschau. Wir entdeckten bald ein großes Baumgestrüppgewächs, dem man vielleicht einen geeigneten Stock entlocken könnte. Wir kämpften uns durch brusthohe Pflanzen und nach nur 15 Minuten war der Stock mit dem nicht so guten Taschenmesser, das er kaufen musste, weil seines ihm am Flughafen abgenommen wurde, abgetrennt.

Wissen, wo es langgeht
Weiter ging es über Schotterpisten und langsam nervt es, immer auf den Boden achten zu müssen und darauf, wohin man tritt. Dann ging es eine steile Anhöhe hinauf. Da mein Laufpulli klitschnass im Rucksack lag und ihn unnötig beschwerte, musste ich (um den anderen Pulli nicht vollzuschwitzen) mit Jacke und Regenjacke laufen, um einigermaßen wetterfest gekleidet zu sein. Darin wurde mir beim Anstieg erst richtig warm und ich freute mich auf den Rastplatz, den mein schlaues Buch für die Anhöhe angekündigt hatte und glücklich fiel ich oben auf die Steinliege.
Meine Sachen konnten in der 1,5 Stunden- Siesta in Ruhe trocknen. Die Anderen kamen nach und nach an und gesellten sich zu uns, ruhten sich aus oder machten ein Nickerchen. Wir genossen alle die Pause und diesen Platz. Die Steinliegen waren aber auch sehr gemütlich.
René bearbeitete seinen Stock, damit sie gute Weggefährten werden konnten und wir unterhielten uns.
Meine Wandersocken waren unterwegs getrocknet und ich konnte sie endlich wieder anziehen. Das Laufen mit den dünnen Socken hat mir eine kleine Blase an der Ferse eingebracht, die ich bisher nur sehen und nicht fühlen kann, also halb so wild.

Ansage am Rastplatz
Pilgerstab aus Renés Resten
Wir liefen die letzten Km nach Santo Domingo de la Calzada und waren über unsere lange Siesta froh: Als wir ankamen, öffnete die Herberge gerade ihre Pforten und die Pilger, die vor uns da waren, hatten ewig vor der Tür gewartet.
Heute haben wir einen Koch in der Pilgergruppe und er bot an, für uns alle zu kochen. Also legten wir zusammen -Jeder gab 3€ und wir zogen in einer Gruppe los Richtung Supermarkt, um zu gucken, was wir essen wollten und um unsere Einkäufe für den morgigen Sonntag zu erledigen.
Da ich viele Käsesorten nicht mag und die Wurst irgendwie gruselig finde (weil ich auch nie weiß, was genau drin ist) gab es bisher fast nur dünne Geflügelwurst. Gestern kaufte ich eine dicke Wurstrolle (ähnlich einer Fleischwurst), aber die überzeugte mich auch nicht und so ließ ich sie in der Herberge für die nachfolgenden Pilger. Ich kaufte stattdessen- und das ist ebenso eklig wie geil und verrückt- eine Tube Schokosauce!
Die Verpackung aus Plastik, ein guter Verschluss: Perfekt. Zuerst hatte ich mir Honig ausgesucht, aber die Schokosauce hat mich dann überzeugt. Ich habe noch ein paar staubtrockene "Milchbrötchen", für die ich Belag brauche. Die Schokosauce wird einige Tage halten und so werde ich nur Baguette kaufen müssen und komme echt günstig dabei weg. Es gibt ja leider nur weißes Baguette. Kein Körnerbrot oder so…

Zurück in der Herberge schnitten wir die Zutaten klein. Kartoffeln, Zwiebeln, Möhren und Knoblauch. Alles in großen Mengen. Es dauerte über 2 Stunden, bis das Essen fertig war, denn der gute Mann hatte nur eine Küchenzeile zur Verfügung und somit sehr wenig Platz. Es gab 3 Hühnchen, die ohne Ofen gegart werden mussten. 
Etwa die Hälfte des Essens
Das Essen war einfach grandios. Eine sehr leckere Knoblauchbaguettesuppe als Vorspeise. Außerdem eine Nudelpfanne vom Hospitalero (mit Calamares oder so. Es roch schon so meeresmäßig, aber ich hatte beim Einkaufen nichts gesehen und dachte ich bilde es mir ein, wurde dann aber aufgeklärt und musste gestehen, es war gut!). Und dann ein Kartoffelgericht mit Hühnchen und einer megaguten Sauce. Zum Nachtisch haben wir Pudding geholt, weil wir noch so viel Geld übrig hatten und von den restlichen 17€ wurde Rotwein für Alle gekauft. Das war so viel, dass jeder mehr als genug bekam.

Da wir so lange auf das Essen warten mussten und so einen tollen Abend zusammen verbrachten (wir waren bestimmt 20 Leute in der Herberge) haben wir völlig vergessen, die Kirche zu besuchen, in der 2 Hühner in einem Käfig sitzen. Nach der Legende des Ortes, von der es offenbar mehrere Versionen gibt, rettete der heilige Domingo einen zu Unrecht erhängten Jüngling, der am Galgen hing, indem er den Jungen von unten stützte. Der Richter im Ort sagte, als man ihm das erzählte, der Junge sei so tot wie die beiden Hühner auf seinem Teller und weil der Junge ja lebte, flogen ihm plötzlich die Hühnchen davon.
Seitdem (oder seit irgendwann) hält man in der Kirche im Ort 2 Hühner im Käfig und wenn der Hahn kräht, wenn ein Pilger in die Kirche kommt, heißt das, dass er gesund in Santiago ankommen wird.
Daraus schließe ich 2 Dinge:
1. Da ich nicht in der Kirche war, werde ich selbst herausfinden müssen, ob ich heil ankomme
2. Eines der Hühner ist ein Hahn
Nicht das Richterhuhn, sondern Unseres
Morgen früh öffnet die Kirche erst um 10 Uhr, wir werden sie also nicht mehr besuchen können. Und den Spaniern traue ich zu, dass auch bei Kirchen 10 Uhr ein dehnbarer Begriff ist.

Heute Abend sind wir echt viele Leute. Einige, die wir schon kennen und viele Neue. Da ist auch ein älterer, kleiner und vollbärtiger Mann in der Herberge, der angeblich bereits seit 3 Jahren unterwegs ist und jetzt von Santiago aus nach Rom läuft.
Der Australier hatte sich für heute die Sandalen von René ausgeliehen und hat immer noch ganz kaputte Füße und Schmerzen. Ich weiß nicht, warum er nicht mal etwas kürzer tritt und sich etwas erholt. Ewig macht der Körper das nicht unbedingt mit.
Wir saßen lange an der großen Tafel zusammen, unterhalten uns und hatten eine Menge Spaß. Scrat bekam von den Anderen Bier, Limo und Zigaretten und hat sich gut in die Gruppe integriert.
Es war bisher einer der schönsten Abende überhaupt.
Aber auch heute bin ich wieder die Letzte, die ins Bett geht. Nur der alte Dauerpilger liegt noch auf dem Sofa und spielt mit seinem Handy. Er scheint da auch schlafen zu wollen. Nach dem Tagebuchschreiben schleiche ich mich ins Bett. 


2 Kommentare:

  1. Hallo Frau Holle,

    was für ein Buch (Reiseführer) hattest du?

    Gruß
    Route66111

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    1. Den Outdoor "Jakobsweg: Jakobsweg Camino Frances" von Raimund Joos und Michael Kasper :)

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