Schon das Umdrehen
heute morgen, um an meinen Rucksack zu kommen, war unangenehm und schmerzhaft.
Tolle Aussicht für den Tag.
Immerhin sah meine
Blase am Fußballen, die ich gestern noch bis auf den letzten Rest geleert
hatte, damit sie über Nacht austrocknen konnte, gar nicht so schlecht aus.
Schmerzempfindlich zwar, aber okay. Es war ja auch nur ein kurzer Tag, 15,5 Km
bis nach Pamplona.
Nach 2 Km spürte ich
den Überlebenswillen der Blase und klebte sie in der ersten Pause mit einem
Blasenpflaster ab. Das war zwar schon benutzt, half aber ganz gut. Es nützt
alles nichts, in Pamplona würde ich Compeed, das gute, aber sehr teure
"second- skin"- Pflaster kaufen müssen. Allan spürte auch schon erste
Blasen und wollte sich auch welche kaufen.
Ich füllte heute
früh extra nur eine meiner Flaschen mit Wasser, denn nach 6 Km sollte schon ein
Brunnen kommen und ich bin geizig, was überflüssiges Gewicht angeht. Man muss
ja nicht mehr schleppen als nötig.
In der
Frühstückspause auf einer Brücke, in der wir unsere Vorräte teilten (ich lief
heute mit René, den Berlinerinnen, Allan und Duck) trank ich also
zuversichtlich. Ich wusste ja, dass der Brunnen nicht mehr weit war, mein
Pilgerführer verrät so etwas immer sehr genau.
Es kam natürlich, wie es kommen musste und der Brunnen war kaputt. Der Nächste und Übernächste ging übrigens auch nicht.
Es kam natürlich, wie es kommen musste und der Brunnen war kaputt. Der Nächste und Übernächste ging übrigens auch nicht.
Mein Wasser war bald
leer, aber ich konnte bei den Anderen mittrinken, hielt mich dennoch zurück,
weil ich nicht wollte, dass sie nachher auch nichts mehr haben.
Unten einer der kaputten Brunnen... |
Es war, wie es immer
ist: Wenn man etwas nicht hat, verlangen Körper und Geist ungewöhnlich stark
danach. Es ist der Mangel, dessen man sich bewusst wird und den man nicht mehr
aus dem Kopf bekommt.
Ich hielt aber
tapfer bis zur Herberge aus und als uns unterwegs ein Spanier mit seinem
Hackenporsche entgegenkam, in dem er viele Getränke für übertrieben viel Geld
anbot, lehnte ich dankend ab. Bestimmt hat der die 3 Brunnen zerstört, um auf
dieser Strecke gute Geschäfte machen zu können und dafür werde ich ihn nicht
auch noch belohnen.
Meine Füße
bereiteten mir heute wieder sehr viele Schmerzen, die taten einfach überall
weh. Klares Zeichen der Überlastung. Aber da ich keine andere Wahl hatte, lief
ich weiter. Immerhin schmerzen die Hüften nicht mehr so sehr.
Die Straßen wollten
kein Ende nehmen, das bergauf- und bergab schien sich endlos zu ziehen und die
Vororte von Pamplona wirkten größer als Hamburg.
Als die Stadtmauer
endlich in Sicht kam, half alles nichts, ich konnte nicht an der Bank
vorbeigehen und musste mich setzen.
"In Sicht"
bedeutet übrigens 200 Meter. Nach 10 Minuten liefen wir weiter. Die Anderen
hatten die Pause mitgemacht, auch wenn es ihnen etwas besser ging, hatten sie
nichts gegen eine Pause und bis zur Herberge ist es ja auch noch ein Stück.
Vorort von Pamplona |
So ein kurzer Tag
kann schnell ganz schön lang werden. Auch wenn es nur 15 Km waren und der Berg,
den wir bezwingen mussten, nicht sehr hart war, hat uns der Tag doch wieder
eine Menge abverlangt. Unsere Füße hatten ja bisher noch keine Gelegenheit,
sich von den ersten Strapazen zu erholen.
Voller Freude auf
die Herberge liefen wir durch das historische und hübsche Pamplona, wo heute
Karneval ist (dabei hatte ich mich so gefreut, dem Wahnsinn aus NRW zu entgehen
und dann sowas).
Bald kamen wir zur
Herberge. Eine umgebaute Kirche mit zahllosen Betten.
Wir waren wie Ersten
und ließen uns in die uns zugewiesenen Betten fallen. Ich war froh, dass wir
jeder ein Bett in der unteren Etage bekommen haben, hochklettern wäre mit
kaputten Füßen kein Spaß und unten kann man den Rucksackinhalt so schön auf dem
Bett ausbreiten.
Nach einer Pause von
etwa 15-20 Minuten liefen wir schon wieder, denn wir hatten nur noch knapp 3
Stunden, bis der Bus nach Roncesvalles fuhr und uns von Lene und Lisa trennen
würde.
Wir suchten uns eine
Gaststätte, in der wir günstig und lecker essen konnten und fanden eine Art
Café, in der es auch eine kleine Auswahl an Nudelgerichten und Pizza gab. Die
kleine Pizza wurde auf einem Brett mit Hämmerchen serviert, hab ich auch noch nie
gesehen vorher.
Nach dem Essen
liefen wir zum Bahnhof und warteten, bis es Zeit für den Abschied wurde. Wir
hätten die Mädchen so gern behalten und sie wären gern weiterlaufen, aber es
half alles nix, wir mussten uns verabschieden.
Seltsam, wie schwer
der Abschied fällt, wo wir uns doch erst 3 Tage kennen.
In unserer
verbliebenen 4er- Truppe liefen wir zum Supermarkt. Auf dem Weg kauften Allan
und ich uns in einer Apotheke die Blasenpflaster für über 10€. Wehe, die helfen
nicht!
Wir deckten uns im
Supermarkt mit Lebensmitteln ein, da morgen Sonntag ist und wir nicht einkaufen
können. Der Vorrat wird also geschleppt. Dementsprechend klug musste ich
einkaufen und es dauerte bei uns allen ewig, bis wir alles hatten, was wir
brauchten. Was macht satt und wiegt nicht viel? Nüsse, Müsliriegel… und Käse.
Baguette findet man immer.
Noch was für heute
Abend. Bier, Limo, Schokolade?
Wir kochten wieder
zusammen und wieder Nudeln mit Tomatensauce. Billiger geht es nicht und in
einer einfachen Küche ohne viele Geräte kann man auch keine großen Gerichte
zaubern.
Im Supermarkt habe
ich auch nach Sonnencreme geguckt, denn ich habe mich im Gesicht schon ganz gut
verbrannt. Wer rechnet denn damit auch Mitte Februar?!
Gefunden haben wir
keine und in der Apotheke kostete die günstigste Flasche über 25€! Nein danke.
Immerhin steckte mir die Apothekerin aus Mitleid 2 Feuchtigkeitscremepröbchen
zu.
Montag muss ich dann
noch mal gucken, ob ich anderswo Sonnencreme finde.
Zurück in der
Herberge machte ich erst einmal Pause. Auch ohne Rucksack ist das Laufen kein
Vergnügen. Wir duschten, stellten eine Maschine Wäsche an und kochten . Duck
sponserte Chips, die um die Zeit zum Essen zu überbrücken. Er riss sie auf,
legte sie in die Mitte des Tische und erzählte, dass die Koreaner alles teilen,
es ist normal und selbstverständlich, nichts für sich zu behalten. Irgendwie
cool, das ist bei uns ja nicht unbedingt so. In der Pilgergemeinschaft wird
alles geteilt- fehlt jemandem etwas, hat es ein Anderer und bietet es an.
Die koreanische Art
zu teilen wurde auch deutlich, als Hogy in die Küche kam. Duck reichte ihm
sofort eines seiner Biere und lud ihn ein, sich an den Chips zu bedienen und
der nahm alles ohne zu zögern an. Hogy ist auch aus Korea (natürlich sind alle
Koreaner hier immer SÜDkorea) und ist letzte Woche mit seiner Familie in
Santiago angekommen. Sie waren den Weg gemeinsam gelaufen. Weil es aber
zwischendurch Ärger gab und sie einige Etappen mit dem Bus überspringen
mussten, hat er kurzerhand den Flug umgebucht, ist zurück nach Roncesvalles
gefahren und läuft den Weg jetzt noch einmal von vorn. Seine Familie ist wieder
zu Hause.
Nach dem Essen und als unsere Wäsche aus dem
Trockner kam, gingen wir in die Stadt- also die Straße herunter- und
beobachtete ein bisschen das Karnevalsspektakel. In der Straße war ganz gut was
los, eine Gruppe Trommler heizte der Menge mit Samba ein und eine Frau machte
einen Feuer- Poi - Tanz. Viele Menschen tanzten, ob verkleidet oder nicht und
die Stimmung war ausgelassen. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass viele
betrunken oder bekifft waren. So konnte ich dem Karneval zwar nicht entkommen,
aber hier in Spanien gefiel er mir dann doch ganz gut.
Die Zeit verging
sehr schnell und wir liefen noch ein bisschen durch die Straßen. Auf einem
Platz sind Originalstatuen von Rodin ausgestellt. Das sagt bestimmt jedem
etwas, mir irgendwie gar nix. Berühmt mögen sie sein, besonders hübsch find ich
die aber nicht.
Ich spazierte noch
ein wenig mit Hogy durch die Altstadt und weil die Herberge um 23 Uhr
dichtmachte, mussten wir bald wieder zurück. Wir hatten Hogy in Roncesvalles
kennengelernt, in Larrasoana vermisst und waren froh, dass es ihm gutging. Er
hatte sich in Zubiri in eine Pension eingemietet, weil es ihm so schlecht ging
wie mir und er nicht weiterlaufen konnte.
Ein bisschen
Tagebuchschreiben und schon ist es halb 12 und Zeit fürs Bettchen. Zum Glück
sind diese Betten sehr bequem.
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