Tag für Tag wird
später aufgestanden. Ich wache meistens schon von allein gegen 7 Uhr auf, oder
15 Minuten später vom Wecker. Die Jungs schlafen immer länger. Bis auf
Francois, der schon so gut wie fertig war, als ich mich gegen 7.20 Uhr anzog.
Gegen 8 Uhr machte ich so viel Krach, dass die Schlafmützen sich erhoben und
packten. Das war nötig, denn um 8.30 Uhr mussten wir aus der Herberge raus
sein.
Tatsächlich stand
auch sehr pünktlich (was eigentlich nicht so dem Wesen der Spanier entspricht)
eine grummelig dreinblickende Raumpflegerin in der Tür und scheuchte uns mit
ihren Blicken hinaus.
Frühstück gibt es in
den Herbergen in der Regel nicht und wenn, dann meistens gegen hohen Aufpreis.
So laufen wir immer erst ein paar Km und frühstücken, wenn wir einen Bäcker
oder Laden finden. Überraschungen erlebe ich Fin Sachen Einkaufsmöglichkeiten nicht,
mein Pilgerführer weiß um jeden Supermarkt und Tante Emmaladen. Ich bin
tatsächlich so gut informiert, dass meine Freunde manchmal schon lachen müssen
("Hinter der Kurve kommt ein kleines Geschäft" oder so). Allan und
Duck haben ihre eigenen Karten noch gar nicht ausgepackt, weil ich ohnehin mehr
Informationen habe.
So wissen wir immer,
wie viel Proviant wir mitnehmen müssen und wie viel Wasser wir brauchen (es sei
denn, die Brunnen sind wieder kaputt). Außerdem gibt es viele Infos zur Route,
Wegbeschreibungen, wenn die Ausschilderung schlecht ist und markante Punkte, an
denen man genau festmachen kann, wie viele Km man noch laufen muss.
Meine Füße fühlen
sich mittlerweile ganz gut an.
Gut, die Innenseite
des linken Fußes schmerzt, ich muss täglich 2 Zehen am rechten Fuß zum Schutz
vor Blasen tapen und brauche Compeed am Fußballen, aber sonst kann ich nicht
klagen.
Heute hatten wir
etwa 22 Km vor uns und es sollte wie immer durch hügeliges Land gehen, aber
heute mal ohne einen richtigen Berg dazwischen.
Einen Hügel
belächelte ich mild mit dem Gedanken an die hinter uns liegenden Riesen und
entschuldigte mich unterwegs, als ich doch gut ins Schwitzen kam und etwas
schnaufen musste.
Seit wir aus den
Bergen raus sind, ist das Wetter sehr frühlingshaft und sonnig. Ich hätte die
Jacke gern ausgezogen, aber das war mir zu gefährlich, bei dem Wetter erkältet
man sich ja doch schnell. Immerhin sind es noch unter 10°C am Tag, auch wenn
einem beim Laufen richtig warm wird. Wie kühl es ist, merke ich besonders in
den Pausen, wo ich schnell friere. Ich bin froh um meine lange Unterhose.
Die Mütze und
Handschuhe trage ich aber nur morgens. Ich bräuchte die da auch nicht
unbedingt… Aber ich trage sie 800 Km, also werde ich sie auch benutzen! Aber
nach spätestens 3 Km muss ich sie ausziehen, weil es zu warm ist.
Oben auf dem Hügel
fanden wir eine Bank und machten Pause. Im Zaun, der die Pilger von der Straße
trennte, die hier verlief, entdeckten wir aus Stöcken gebastelte Kreuze. Das
scheint eine dieser Pilgertraditionen zu sein, wie das Stapeln von Steinchen auf
Wegmarkierungen und das Steintürme am Wegesrand bauen.
Heute liefen wir
viel durch Weinberge, derzeit sind die aber leer und nicht besonders hübsch
anzuschauen. Die Landschaft verändert sich von Tag zu Tag. Aber wenn ich
überlege, wie weit ich eigentlich laufe, ist das kein Wunder. Heute Abend
werden es schon 122Km sein, die ich zu Fuß gelaufen bin. Es geht oft durch
ruhige Natur und ich genieße das viele an- der- Luft- sein.
Als wir auf einer
hübschen Brücke über einem kleinen Fluss Pause machten, zog einer der Jungs
(ich möchte keine Namen nennen) sein T- Shirt aus und legte es zum Trocknen auf
die Brückenmauer. Ein Wind nahm es mit und es fiel genau in den lächerlich
schmalen Fluss und natürlich genau dahin, wo die Strömung stark genug war, es
mitzunehmen. Es ist ja nicht so, dass zu beiden Seiten gut 30 Meter Erde
gewesen wäre, wo das T- Shirt auch hätte
landen können.
Der Besitzer rannte
am Ufer entlang, um es abzufangen, aber das Ufer war unglücklicherweise so
bewachsen, dass man nicht zum Wasser kam. Ich rannte am anderen Ufer zu einer
Stelle, wo man runterklettern konnte, aber da kam das T- Shirt nie an…
Entweder war es sehr schnell gewesen und schon weg oder es war irgendwo hängengeblieben. Wir suchten 20 Minuten und gaben dann auf. Wir mussten noch über 2 Stunden laufen und meine Füße… ihr wisst schon.
Entweder war es sehr schnell gewesen und schon weg oder es war irgendwo hängengeblieben. Wir suchten 20 Minuten und gaben dann auf. Wir mussten noch über 2 Stunden laufen und meine Füße… ihr wisst schon.
Als wir Estella
erreichten mussten Hogy und ich ein bisschen diskutieren. Mein Reiseführer
beschrieb den Weg über die Brücke und Hogy wollte am Ufer entlang, da er
meinte, sich an den Weg zur Herberge erinnern zu können. Er war ja erst vor ein
paar Wochen hiergewesen, aber ich beharrte darauf, meinen Buch zu vertrauen.
Wir beschlossen, meinen Weg zu gehen, da wir auch schon mitbekommen hatten,
dass Hogy sich gern falsch erinnerte.
Als wir zur Herberge
kamen, stellten wir fest, dass Hogy letztes mal in einer Anderen geschlafen
hatte. Da diese hier auf Spendenbasis war, wollten wir gern hierbleiben.
Die Herberge war der
Kracher. Bunt, voller Bilder, gemütlich, sauber und dem Hospitalero hat man
seine Leidenschaft sofort angemerkt. Er ist den Weg selbst 11x gelaufen und
arbeitet hier sehr gerne. Er schläft auch in der Herberge und bot uns direkt
Kaffee, Tee und kalte Cola an- Was will man mehr?!
Da die Anderen fast
alle in der "Hogy- Herberge" gelandet waren, weil sie dachten, diese
sei geschlossen, bekam ich mein Privatbad, denn ich war die einzige Frau im
Haus.
In der kleinen Küche
gab es Alles.
1000 Gewürze (grob
geschätzt), sogar Lorbeerblätter waren dabei. Der Kühlschrank war voll, im
Schrank fanden sich kiloweise Nudeln und Reis und Frühstück würde es auch
geben. Alles auf Spendenbasis. Der lustige Hospitalero weiß, wie man einen
Pilger glücklich macht. Mit Sicherheit auch deswegen, weil er selbst einer ist.
Mit Hogy und René
lief ich ein bisschen durch den Ort. Viele Ortschaften, die wir durchlaufen,
sind alt, hübsch und eine Besichtigung wert. Im Supermarkt kauften wir ein
bisschen ein und René kochte in der schmalen Küche, in der ich aus Platzgründen
nicht helfen konnte. Es gab Reis mit Karotten, Zwiebeln und Zucchini. Und mit
Gewürzen!
Steintürmchen |
Duck plante den
ganzen Abend seinen Camino. Er hatte sich leider verkalkuliert. Er hatte sich
von seinem Vater, der den Weg schon gelaufen ist, sagen lassen, dass 31 Tage
genügen würden. Er hatte Karten mit den passenden Tagesetappen , teilweise mit
bis zu 38 Km langen Strecken. Da er einen Flug nach Madrid für den 17.3.
gebucht hat und unbedingt noch ans Meer will, hat er ein echtes Zeitproblem.
Auch ohne das Meer sind 31 Tage recht knapp bemessen, weil man nie weiß, was
passiert und ob eine Verletzung einen nicht ausbremst. Er hat einfach
vergessen, Zeitpuffer einzuplanen.
Er wird einige
Etappen mit dem Bus überspringen müssen und uns vermutlich übermorgen
verlassen. Ich plane, 19 Km bis nach Viana zu laufen, um nach einem kurzen
Folgetag von nur 10 Km Strecke in Ruhe Logroño ansehen und meinen Geburtstag
feiern zu können (das geht in einer Stadt ja besser als auf dem Dorf).
Duck muss an dem Tag
vermutlich 29 Km in die Stadt laufen und wird sie nicht großartig angucken
können. Na ja. Erst mal abwarten, wie es kommt. Die Anderen wissen auch noch nicht, wie sie laufen werden und
ich habe auch keine Lust, an meinem Geburtstag allein zu sein.
Aber wahrscheinlich
wird Duck da nicht mehr da sein, was ich sehr bedaure. Ich mag es nicht, wenn
gute Pilgerfreunde gehen müssen.
Heute hat er mir den
Teleskopstock, den ich seit dem ersten Tag nutze, offiziell geschenkt, als ich
meinte, dass ich mich dann morgen mal um einen Stock kümmern werde. Aber er
kommt mit einem Stock gut zurecht, braucht den Anderen nicht und das sei dann sein
Geburtstagsgeschenk an mich.
Wir verbrachten
einen schönen Abend in der süßen Herberge. Der Hospitalero hatte seine Familie
oder Freunde zu Gast und es ist spannend, die Spanier zu erleben. Auch wenn ich
kein Wort von dem verstehe, was sie reden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen