Sonntag, 17. Februar 2013

17. Februar - Larrasoaña (ca. 32 km)


Heute morgen wachten wieder alle gemeinschaftlich auf. Sobald einer wach wird und sich anzieht, wachen auch die Anderen auf- Eine angenehme Aufbruchstimmung.
Wir starteten in einer Sechsergruppe und liefen die Ersten der vor uns liegenden 32 Kilometer. Schon nach dem Ersten taten mir dir Füße weh. Nicht an einer besonderen Stelle, sondern einfach überall!
Aber heute hatten wir fast nur Landstraße, die Pilger- Waldabkürzungen waren bei diesem Wetter gefährlich, bzw. zu anstrengend, denn in Roncesvalles lag eine Menge Schnee.
René, der seinen ersten Tag und somit noch keine Erfahrung mit diesen Wegen hatte, verabschiedete sich bald und wollte den Waldweg nehmen. Wir machten ein paar hundert Meter weiter Frühstückspause in einem Bäckereicafé und als wir wieder unterwegs waren, holte uns der abenteuerlustige René ein und meinte nur "Ich hatte schon bessere Ideen."
Wir liefen in einer Gruppe von 8 Leuten (zwei haben wir noch im Café getroffen) viele Kilometer über die Landstraße. Es ging immer wieder mal bergauf und bergab, war aber auszuhalten.
Gegen Mittag mussten wir einen Berg überqueren, der zwar keine Pyrenäengröße hatte, uns aber trotzdem etwa eine Stunde lang eine Menge abverlangte. Es ging immer stramm nach oben.
Die Sonne schien und wir schwitzten in unserer Winterkleidung, aber jedes Teil, das man auszieht, muss  man auf dem Rücken tragen…

Völlig ausgepowert kam ich oben an, meine Füße und Hüftgelenke schmerzten, wie ich es noch nicht kannte und ich konnte mich kaum noch bewegen. Genaugenommen brauchte ich schon vor dem Aufstieg 2 Pausen, weil einfach nichts mehr ging. Der Körper ist es nicht gewöhnt, so viele Schritte zu tun, noch dazu bergauf und durch Schnee (heute hatten wir glücklicherweise schnell keinen Schnee mehr). Das eigentlich Schlimme ist aber das Gewicht des Rucksacks, das zusätzlich von Beinen und Füßen getragen werden muss. Als wir oben ankamen, machten wir erst einmal eine lange Pause.

Immer bergauf...

Die ersten Schritte nach der Pause sind immer die Schlimmsten. Ich hätte schreien oder heulen können.
Vor uns lag ein Abstieg über die Landstraße, die in Serpentinen langsam ins Tal führte.. Irgendwo da unten liegt Zubiri, aber da die Herberge dort geschlossen hatte, war dieser Ort nur ein Etappenziel, denn von dort aus waren es immer noch 5,8 Km zu laufen.
Ich habe echt gelitten und konnte meine Kräfte kaum noch mobilisieren.
Am Liebsten hätte ich mich an die Seite ins Gras geworfen und mich von einem Rettungshubschrauber abtransportieren lassen.
Auf die Frage, ob es mir gut ginge, habe ich nur ein "no" herausbekommen.

Als die Berlinerinnen in einer großen Kurve den Weg abkürzten, indem sie einen kleinen Hang hinunterkletterten und quer über die Wiese liefen, musste ich dem Straßenverlauf mit zusammengepressten Zähnen folgen. Ich hätte den kleinen Hang und das raufklettern auf der anderen Seite nicht mehr geschafft, es war ja schon beinahe jenseits meiner Kräfte, überhaupt noch einen Fuß vor den Anderen zu setzen. Dass die Hüften einem so wehtun könnten, hätte ich mir nie ausmalen können und ich kann es auch nicht beschreiben.
Und dabei wollte ich eigentlich nicht so viel jammern.
Ich kann nur hoffen, dass sich das gibt, wenn ich eingelaufen bin!
Pause auf dem Berg

Ich fühlte, wie sich an meinem linken Fußballen eine Blase zu bilden drohte. Ich nahm das aber nur zur Kenntnis und lief weiter. Wenn einem alles so wehtut, dann kommt es darauf auch nicht mehr an. Ich wusste, dass es besser gewesen wäre, etwas zu tun, aber ich konnte mich nirgends setzen und vom Boden wäre ich wohl nicht wieder hochgekommen.

Nach endlos langer Zeit, ich konnte wirklich nur noch mit schmerzverzerrter Miene laufen, erreichten wir Zubiri. Ich schleppte mich durch den Ort, an dem wir etwas zu essen kaufen wollten. Da die Geschäfte geschlossen hatten, machten wir nur Rast. Zum Glück eine halbe Stunde. Ich versorgte meinen Fuß, es war tatsächlich eine kleine Blase zu sehen und die Anderen fanden eine Bar, in der man Baguette kaufen konnte.

Nach der Pause kam die große Angst, aufzustehen. Ich war keineswegs sicher, ob und wie ich die knapp 6 Kilometer bis zur Herberge überleben würde. Nach 200 Metern hatte ich den größten Schmerz "dumpfgelaufen" und der Weg führte nicht über Asphalt, sondern auf kleinen Pfaden zum Ziel und es ging erstaunlich gut. Ich lief mit René und wir haben uns gut unterhalten, das lindert auch den Schmerz. Und ich war froh, wieder in der Lage zu sein, mich zu unterhalten.

In Larrasoaña angekommen mussten wir noch eine Weile vor der Herberge warten, bis aufgeschlossen wurde. Ich zog meine Stiefel- abseits von den Wartenden- aus und kühlte meine nackten Füße am Brunnen vor der Tür.
Ich konnte danach erst mal nicht viel tun außer auf dem Bett zu liegen. Aber den Anderen erging es ähnlich. Man sah den Meisten beim gehen an, dass sie auch Hüftschmerzen hatten und es beruhigte mich ein wenig. Francois, der ja schon oft gepilgert und gereist ist, meinte, dass er auch ungewöhnlich starke Schmerzen hat und glaubt, dass das vom Schneestapfen in den Pyrenäen kommt. Da mussten wir unsere Füße ja über Stunden höher heben als gewöhnlich.

Zum duschen konnte ich mich kaum an- und ausziehen und weil ich nichts zu essen hatte, musste ich mit zum Dorfladen humpeln. Wir kauften Nudeln und Sauce und kochten als Gruppe zusammen. Es war sehr gemütlich und lustig.
Beim kochen steckte Allan ein Geschirrtuch am Gasherd in Brand und warf vor Schreck Renés Pestoglas runter, so hat sich unsere Kochrunde spontan vergrößert, aber die Sauce hat für alle gereicht.
Wir verbrachten den Abend in gemütlicher Runde am Tisch, den wir vom Hof reingetragen hatten und gingen gegen 21.45 Uhr in die leider recht schmutzigen und sehr durchgelegenen Betten.

Mit den Hüftschmerzen konnte ich ohnehin kaum liegen, da hat mir ein altes durchgelegenes Bett ja gerade noch gefehlt. Ich konnte nicht einschlafen, weil ich leider nur auf der Seite schlafen kann und es auf dem Rücken noch nie geklappt hat (ich hoffe, ich muss nie ins Krankenhaus, die liegen da doch immer auf dem Rücken). Der Spanier schnarchte heute besonders laut und so kramte ich meine Oropax raus, damit ich nur noch die Schmerzen hatte, die mich am Schlafen hinderten.
Nachdem ich mir eingestehen musste, dass ich auch heute nicht auf dem Rücken werde einschlafen können, habe ich mich im Bett umgedreht, in der Hoffnung, dass es am anderen Ende der Matratze weicher ist. Und es war sogar etwas besser. Irgendwann schlief ich ein, wachte aber immer wieder auf, weil  die Hüfte wehtat. Ja, ich jammere. Aber das würde jeder an meiner Stelle auch tun, redete ich mir ein und war froh, als diese beschissene Nacht endlich rum war.




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