Heute morgen wachten
wieder alle gemeinschaftlich auf. Sobald einer wach wird und sich anzieht, wachen
auch die Anderen auf- Eine angenehme Aufbruchstimmung.
Wir starteten in
einer Sechsergruppe und liefen die Ersten der vor uns liegenden 32 Kilometer.
Schon nach dem Ersten taten mir dir Füße weh. Nicht an einer besonderen Stelle,
sondern einfach überall!
Aber heute hatten
wir fast nur Landstraße, die Pilger- Waldabkürzungen waren bei diesem Wetter
gefährlich, bzw. zu anstrengend, denn in Roncesvalles lag eine Menge Schnee.
René, der seinen
ersten Tag und somit noch keine Erfahrung mit diesen Wegen hatte, verabschiedete
sich bald und wollte den Waldweg nehmen. Wir machten ein paar hundert Meter
weiter Frühstückspause in einem Bäckereicafé und als wir wieder unterwegs
waren, holte uns der abenteuerlustige René ein und meinte nur "Ich hatte
schon bessere Ideen."
Wir liefen in einer
Gruppe von 8 Leuten (zwei haben wir noch im Café getroffen) viele Kilometer
über die Landstraße. Es ging immer wieder mal bergauf und bergab, war aber auszuhalten.
Gegen Mittag mussten
wir einen Berg überqueren, der zwar keine Pyrenäengröße hatte, uns aber
trotzdem etwa eine Stunde lang eine Menge abverlangte. Es ging immer stramm
nach oben.
Die Sonne schien und
wir schwitzten in unserer Winterkleidung, aber jedes Teil, das man auszieht,
muss man auf dem Rücken tragen…
Völlig ausgepowert
kam ich oben an, meine Füße und Hüftgelenke schmerzten, wie ich es noch nicht
kannte und ich konnte mich kaum noch bewegen. Genaugenommen brauchte ich schon
vor dem Aufstieg 2 Pausen, weil einfach nichts mehr ging. Der Körper ist es nicht
gewöhnt, so viele Schritte zu tun, noch dazu bergauf und durch Schnee (heute
hatten wir glücklicherweise schnell keinen Schnee mehr). Das eigentlich
Schlimme ist aber das Gewicht des Rucksacks, das zusätzlich von Beinen und
Füßen getragen werden muss. Als wir oben ankamen, machten wir erst einmal eine lange Pause.
Immer bergauf... |
Die ersten Schritte
nach der Pause sind immer die Schlimmsten. Ich hätte schreien oder heulen
können.
Vor uns lag ein
Abstieg über die Landstraße, die in Serpentinen langsam ins Tal führte..
Irgendwo da unten liegt Zubiri, aber da die Herberge dort geschlossen hatte, war dieser Ort nur ein Etappenziel, denn von dort aus waren es immer noch 5,8 Km zu laufen.
Ich habe echt
gelitten und konnte meine Kräfte kaum noch mobilisieren.
Am Liebsten hätte
ich mich an die Seite ins Gras geworfen und mich von einem Rettungshubschrauber
abtransportieren lassen.
Auf die Frage, ob es
mir gut ginge, habe ich nur ein "no" herausbekommen.
Als die
Berlinerinnen in einer großen Kurve den Weg abkürzten, indem sie einen kleinen Hang
hinunterkletterten und quer über die Wiese liefen, musste ich dem
Straßenverlauf mit zusammengepressten Zähnen folgen. Ich hätte den kleinen Hang
und das raufklettern auf der anderen Seite nicht mehr geschafft, es war ja schon
beinahe jenseits meiner Kräfte, überhaupt noch einen Fuß vor den Anderen zu
setzen. Dass die Hüften einem so wehtun könnten, hätte ich mir nie ausmalen
können und ich kann es auch nicht beschreiben.
Und dabei wollte ich
eigentlich nicht so viel jammern.
Ich kann nur hoffen,
dass sich das gibt, wenn ich eingelaufen bin!
Pause auf dem Berg |
Ich fühlte, wie sich
an meinem linken Fußballen eine Blase zu bilden drohte. Ich nahm das aber nur zur
Kenntnis und lief weiter. Wenn einem alles so wehtut, dann kommt es darauf auch
nicht mehr an. Ich wusste, dass es besser gewesen wäre, etwas zu tun, aber ich konnte mich nirgends setzen und vom Boden wäre ich wohl nicht wieder hochgekommen.
Nach endlos langer
Zeit, ich konnte wirklich nur noch mit schmerzverzerrter Miene laufen,
erreichten wir Zubiri. Ich schleppte mich durch den Ort, an dem wir etwas zu
essen kaufen wollten. Da die Geschäfte geschlossen hatten, machten wir nur Rast. Zum Glück eine halbe Stunde. Ich
versorgte meinen Fuß, es war tatsächlich eine kleine Blase zu sehen und die Anderen fanden eine Bar, in der man Baguette kaufen konnte.
Nach der Pause kam
die große Angst, aufzustehen. Ich war keineswegs sicher, ob und wie ich die
knapp 6 Kilometer bis zur Herberge überleben würde. Nach 200 Metern hatte ich
den größten Schmerz "dumpfgelaufen" und der Weg führte nicht über
Asphalt, sondern auf kleinen Pfaden zum Ziel und es ging erstaunlich gut. Ich
lief mit René und wir haben uns gut unterhalten, das lindert auch den Schmerz.
Und ich war froh, wieder in der Lage zu sein, mich zu unterhalten.
In Larrasoaña
angekommen mussten wir noch eine Weile vor der Herberge warten, bis
aufgeschlossen wurde. Ich zog meine Stiefel- abseits von den Wartenden- aus und
kühlte meine nackten Füße am Brunnen vor der Tür.
Ich konnte danach
erst mal nicht viel tun außer auf dem Bett zu liegen. Aber den Anderen erging
es ähnlich. Man sah den Meisten beim gehen an, dass sie auch Hüftschmerzen
hatten und es beruhigte mich ein wenig. Francois, der ja schon oft gepilgert
und gereist ist, meinte, dass er auch ungewöhnlich starke Schmerzen hat und
glaubt, dass das vom Schneestapfen in den Pyrenäen kommt. Da mussten wir unsere
Füße ja über Stunden höher heben als gewöhnlich.
Zum duschen konnte
ich mich kaum an- und ausziehen und weil ich nichts zu essen hatte, musste ich
mit zum Dorfladen humpeln. Wir kauften Nudeln und Sauce und kochten als Gruppe
zusammen. Es war sehr gemütlich und lustig.
Beim kochen steckte
Allan ein Geschirrtuch am Gasherd in Brand und warf vor Schreck Renés Pestoglas
runter, so hat sich unsere Kochrunde spontan vergrößert, aber die Sauce hat für
alle gereicht.
Wir verbrachten den
Abend in gemütlicher Runde am Tisch, den wir vom Hof reingetragen hatten und
gingen gegen 21.45 Uhr in die leider recht schmutzigen und sehr durchgelegenen
Betten.
Mit den
Hüftschmerzen konnte ich ohnehin kaum liegen, da hat mir ein altes
durchgelegenes Bett ja gerade noch gefehlt. Ich konnte nicht einschlafen, weil ich
leider nur auf der Seite schlafen kann und es auf dem Rücken noch nie geklappt
hat (ich hoffe, ich muss nie ins Krankenhaus, die liegen da doch immer auf dem
Rücken). Der Spanier schnarchte heute besonders laut und so kramte ich meine
Oropax raus, damit ich nur noch die Schmerzen hatte, die mich am Schlafen
hinderten.
Nachdem ich mir
eingestehen musste, dass ich auch heute nicht auf dem Rücken werde einschlafen
können, habe ich mich im Bett umgedreht, in der Hoffnung, dass es am anderen
Ende der Matratze weicher ist. Und es war sogar etwas besser. Irgendwann
schlief ich ein, wachte aber immer wieder auf, weil die Hüfte wehtat. Ja, ich jammere. Aber das
würde jeder an meiner Stelle auch tun, redete ich mir ein und war froh, als diese
beschissene Nacht endlich rum war.
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