Sonntag, 24. Februar 2013

24. Februar- Nájera (ca. 30Km)


Heute früh kamen wir alle etwas schlecht aus den Federn. Auch ich hätte gern einmal ausgeschlafen, aber da 30 Km vor uns lagen, machten wir uns recht zügig auf den Weg. Nicht zuletzt, weil wir um 8 Uhr eigentlich draußen sein mussten und die Hospitaleros gestern Abend mehr deutsche denn spanische Pünktlichkeit bewiesen hatten.
Mittlerweile haben sich meine Füße ganz gut an die Belastung gewöhnt, sie tun zwar immer noch in den letzten Stunden ganzheitlich weh, aber ich habe keine Blasen mehr und heute auch keine Zehen getaped, wie ich es die letzten Tage immer zur Sicherheit tat, da ich ab dem 2. oder 3. Druckstellen und Wunden an den Zehen hatte.

Meistens machen wir nach 4-5 Km die erste Pause. Mein Körper gewöhnt sich langsam an das lange marschieren. Ich habe das Gefühl, dass es den Anderen etwas leichter fällt, aber das kann auch täuschen, ich zeige es ja auch nicht so. Und wenn wir Pause machen, die Rucksäcke abwerfen und stöhnend die Beine ausstrecken, weiß ich, dass ich nicht alleine leide.
Wir setzten uns an einen Stausee, genossen die Aussicht und aßen etwas.
Der Australier, der gestern nach seinem 50 Km- Marsch noch seine Blasen an den Füßen genäht hat (warum auch immer), wollte heute nur 12,5 Km nach Navarette laufen. So wie er in der Küche herumhumpelte, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass er das schaffen würde. Er humpelte schlimmer als ich es in meinen schwersten Stunden zu Beginn der Reise tat.
Später haben wir ihn dann im 30 Km entfernten Nájera in der Herberge getroffen. Freak.

Wegweiser
Wir kamen an einem Friedhof vorbei und sahen uns um, weil im Pilgerführer der Hinweis stand, dass es Pilgerfiguren an den Innenmauern gäbe, die wir sehen wollten. Die Spanier gestalten ihre Gräber anders als wir es in Deutschland tun. Sie schreiben auf den Grabstein, an welchem Tag der Mensch gestorben ist und wie alt er zu diesem Zeitpunkt war. Der Geburtstag wird weggelassen. Es ist immer interessant, aber auch etwas bedrückend auf Friedhöfen, besonders wenn man Gräber von sehr jungen Menschen sieht.
Wir liefen heute viele Km parallel zu einem Zaun mit unzähligen Stöckerkreuzen, wie wir sie schon vor 
ein paar Tagen gesehen haben. 

Als ich an einer Wiese meine lange Unterhose auszog (es war recht warm und die Sonnencreme hab ich wirklich nötig), beschlossen Allan und ich, dass es Zeit für eine Siesta war, die Spanier halten schließlich viel davon. Er schlief erst mal eine Stunde oder so (hab ich schon gesagt, dass Zeit auf dem Camino keine Rolle spielt?) und ich las in meinem Buch nach, was es in den nächsten Tagen und Wochen so zu erleben gibt. Irgendwann machten wir uns auf, die letzten 10 Km zu laufen.
In der Landschaft, durch die wir liefen, kam uns ein Bauer mit seiner Schafherde entgegen und wir sahen begeistert zu, wie die Herde um uns herumlief.

Glücklicherweise hatte ich heute 2 Dosen Getränke dabei (hier gibt es ja kein Dosenpfand und aus Dosen trinken ist Oldschool und damit gut), denn das Wasser aus Logroño war oberschlimm. Kein Chlor (was ich erst mal nicht bedaure), aber es schmeckte, als hätte man es aus einem sandigen Fluss gezapft und dann noch muffig werden lassen, bevor man es für die Pilgerflasche freigibt. Ich würde das Wasser am nächsten Brunnen wechseln müssen.
Ich konnte es einfach nicht trinken und nahm nur Minischlücke, um meinen Mund anzufeuchten. Es kam, wie es kommen musste und der schadenfrohe Leser ahnt es vielleicht schon: Der Brunnen, auf den ich knapp 16 Km gehofft hatte, war kaputt!
Zum Glück waren es nur noch wenige Km bis zum Ziel und das würde in einer guten Stunde zu schaffen sein.
Hier sorgte mein Buch wieder für Erstaunen. Einige hundert Meter vor uns liefen 2 Pilger, die wir nicht kannten und als sie stehen blieben und eine Wand anstarrten, fragte Allan sich laut, was sie da wohl machen würden. Prompt antwortete ich, dass sie ein Pilgergedicht lesen, das dort auf spanisch und deutsch an die Wand gesprüht war. Ich kann nichts dafür, das Buch ist einfach gut.

Im Ort trafen wir You- Jin, die auf einer Bank saß und sich freute, uns zu sehen. Wir fragten sie, ob sie wisse, wo die Herberge ist (sie hatte noch den Rucksack dabei) und sie piepste "Oooouh yaaaaaaaa" und wir fragten nach dem Weg. "Oooooouh yaaaa" antwortete sie wieder und lächelte uns an. "Do you understand me?" "Oooouhh noooo no no" grinste sie mich an (und so läuft eine Unterhaltung mir ihr eigentlich fast immer ab).
Wir nahmen sie mit auf unsere Entdeckertour, denn die Herberge war nicht so leicht zu finden, obwohl der Weg im Buch beschrieben war.
Vor der Herberge stand ein Brunnen und ohne den Rucksack abzusetzen stürzte ich mich darauf und hielt den Knopf gedrückt, damit das klare Gold nicht aufhören würde zu fließen.
Nachdem das erledigt war, sah ich mich um und ging rein, um mich anzumelden. Es folgte eine ausgiebige Dusche, denn auf dem Tresen standen zurückgelassene Pflegeprodukte, die man nutzen konnte und ich entdeckte eine Haarspülung, an der ich mich nur zu gern bediente. Außerdem nahm ich ein paar Klamotten mit ins Bad und wusch sie  im Waschbecken. So auch beide Paar Laufsocken, weil wir uns mit ein paar Pilgern einen Trockner teilen wollten.
Dummerweise haben die Hospitaleros nur die defekte Waschmaschine erwähnt und sagten das mit dem Trockner erst, als wir mit den Armen voll tropfender Wäsche vor ihnen standen.
Meine dicken Socken würden bis morgen nie trocknen!
Wir hingen die Wäsche in den kalten Abstellraum an die Leinen und gingen erst einmal einkaufen.
Heute würden wir wieder Nudeln essen, weil es davon in der Herberge noch einige gab und die Wahl so nicht schwer fiel. Leider gibt es in Spanien nur Tomatensauce und die ist immer so gut wie ungewürzt. Langsam kann ich das auch nicht mehr sehen.
Im Supermarkt im Ort bekommen Pilger bei Vorlage des Pilgerausweises eine Wasserflasche geschenkt und das Angebot hab ich natürlich genutzt. Einfach, weil ich es kann.
Stöckerkreuze

Einer der Pilger gab mir abends den Tipp, feuchte Kleidung über Nacht mit in den Schlafsack zu nehmen, da würde sie am Fußende durch die Wärme besser trocknen. Keine Ahnung, ob da was dran ist, aber ich probierte es mit einem der Sockenpaare aus, denn ich brauche morgen dringend welche zum laufen…
Abends war ich nach dem Tagebuchschreiben noch recht lange mit dem iphone von You- Jin im Internet, da es wieder gratis WLAN gab und man für die Computer immer so viel zahlen muss. So war ich mit Abstand die Letzte, die ins Bett ging. 


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