Heute früh kamen wir
alle etwas schlecht aus den Federn. Auch ich hätte gern einmal ausgeschlafen,
aber da 30 Km vor uns lagen, machten wir uns recht zügig auf den Weg. Nicht
zuletzt, weil wir um 8 Uhr eigentlich draußen sein mussten und die Hospitaleros
gestern Abend mehr deutsche denn spanische Pünktlichkeit bewiesen hatten.
Mittlerweile haben
sich meine Füße ganz gut an die Belastung gewöhnt, sie tun zwar immer noch in
den letzten Stunden ganzheitlich weh, aber ich habe keine Blasen mehr und heute
auch keine Zehen getaped, wie ich es die letzten Tage immer zur Sicherheit tat,
da ich ab dem 2. oder 3. Druckstellen und Wunden an den Zehen hatte.
Meistens machen wir
nach 4-5 Km die erste Pause. Mein Körper gewöhnt sich langsam an das lange
marschieren. Ich habe das Gefühl, dass es den Anderen etwas leichter fällt,
aber das kann auch täuschen, ich zeige es ja auch nicht so. Und wenn wir Pause
machen, die Rucksäcke abwerfen und stöhnend die Beine ausstrecken, weiß ich,
dass ich nicht alleine leide.
Wir setzten uns an
einen Stausee, genossen die Aussicht und aßen etwas.
Der Australier, der
gestern nach seinem 50 Km- Marsch noch seine Blasen an den Füßen genäht hat
(warum auch immer), wollte heute nur 12,5 Km nach Navarette laufen. So wie er
in der Küche herumhumpelte, konnte ich mir nur schwer vorstellen, dass er das
schaffen würde. Er humpelte schlimmer als ich es in meinen schwersten Stunden
zu Beginn der Reise tat.
Später haben wir ihn
dann im 30 Km entfernten Nájera in der Herberge getroffen. Freak.
Wegweiser |
Wir kamen an einem
Friedhof vorbei und sahen uns um, weil im Pilgerführer der Hinweis stand, dass
es Pilgerfiguren an den Innenmauern gäbe, die wir sehen wollten. Die Spanier
gestalten ihre Gräber anders als wir es in Deutschland tun. Sie schreiben auf den
Grabstein, an welchem Tag der Mensch gestorben ist und wie alt er zu diesem
Zeitpunkt war. Der Geburtstag wird weggelassen. Es ist immer interessant, aber
auch etwas bedrückend auf Friedhöfen, besonders wenn man Gräber von sehr jungen
Menschen sieht.
Wir liefen heute
viele Km parallel zu einem Zaun mit unzähligen Stöckerkreuzen, wie wir sie
schon vor
ein paar Tagen gesehen haben.
Als ich an einer
Wiese meine lange Unterhose auszog (es war recht warm und die Sonnencreme hab
ich wirklich nötig), beschlossen Allan und ich, dass es Zeit für eine Siesta
war, die Spanier halten schließlich viel davon. Er schlief erst mal eine Stunde
oder so (hab ich schon gesagt, dass Zeit auf dem Camino keine Rolle spielt?)
und ich las in meinem Buch nach, was es in den nächsten Tagen und Wochen so zu
erleben gibt. Irgendwann machten wir uns auf, die letzten 10 Km zu laufen.
In der Landschaft,
durch die wir liefen, kam uns ein Bauer mit seiner Schafherde entgegen und wir
sahen begeistert zu, wie die Herde um uns herumlief.
Glücklicherweise
hatte ich heute 2 Dosen Getränke dabei (hier gibt es ja kein Dosenpfand und aus
Dosen trinken ist Oldschool und damit gut), denn das Wasser aus Logroño war
oberschlimm. Kein Chlor (was ich erst mal nicht bedaure), aber es schmeckte,
als hätte man es aus einem sandigen Fluss gezapft und dann noch muffig werden
lassen, bevor man es für die Pilgerflasche freigibt. Ich würde das Wasser am
nächsten Brunnen wechseln müssen.
Ich konnte es
einfach nicht trinken und nahm nur Minischlücke, um meinen Mund anzufeuchten.
Es kam, wie es kommen musste und der schadenfrohe Leser ahnt es vielleicht
schon: Der Brunnen, auf den ich knapp 16 Km gehofft hatte, war kaputt!
Zum Glück waren es
nur noch wenige Km bis zum Ziel und das würde in einer guten Stunde zu schaffen
sein.
Hier sorgte mein
Buch wieder für Erstaunen. Einige hundert Meter vor uns liefen 2 Pilger, die
wir nicht kannten und als sie stehen blieben und eine Wand anstarrten, fragte
Allan sich laut, was sie da wohl machen würden. Prompt antwortete ich, dass sie
ein Pilgergedicht lesen, das dort auf spanisch und deutsch an die Wand gesprüht
war. Ich kann nichts dafür, das Buch ist einfach gut.
Im Ort trafen wir
You- Jin, die auf einer Bank saß und sich freute, uns zu sehen. Wir fragten
sie, ob sie wisse, wo die Herberge ist (sie hatte noch den Rucksack dabei) und
sie piepste "Oooouh yaaaaaaaa" und wir fragten nach dem Weg.
"Oooooouh yaaaa" antwortete sie wieder und lächelte uns an. "Do
you understand me?" "Oooouhh noooo no no" grinste sie mich an
(und so läuft eine Unterhaltung mir ihr eigentlich fast immer ab).
Wir nahmen sie mit
auf unsere Entdeckertour, denn die Herberge war nicht so leicht zu finden,
obwohl der Weg im Buch beschrieben war.
Vor der Herberge
stand ein Brunnen und ohne den Rucksack abzusetzen stürzte ich mich darauf und
hielt den Knopf gedrückt, damit das klare Gold nicht aufhören würde zu fließen.
Nachdem das erledigt
war, sah ich mich um und ging rein, um mich anzumelden. Es folgte eine
ausgiebige Dusche, denn auf dem Tresen standen zurückgelassene Pflegeprodukte,
die man nutzen konnte und ich entdeckte eine Haarspülung, an der ich mich nur
zu gern bediente. Außerdem nahm ich ein paar Klamotten mit ins Bad und wusch
sie im Waschbecken. So auch beide Paar
Laufsocken, weil wir uns mit ein paar Pilgern einen Trockner teilen wollten.
Dummerweise haben
die Hospitaleros nur die defekte Waschmaschine erwähnt und sagten das mit dem
Trockner erst, als wir mit den Armen voll tropfender Wäsche vor ihnen standen.
Meine dicken Socken
würden bis morgen nie trocknen!
Wir hingen die
Wäsche in den kalten Abstellraum an die Leinen und gingen erst einmal
einkaufen.
Heute würden wir
wieder Nudeln essen, weil es davon in der Herberge noch einige gab und die Wahl
so nicht schwer fiel. Leider gibt es in Spanien nur Tomatensauce und die ist
immer so gut wie ungewürzt. Langsam kann ich das auch nicht mehr sehen.
Im Supermarkt im Ort
bekommen Pilger bei Vorlage des Pilgerausweises eine Wasserflasche geschenkt
und das Angebot hab ich natürlich genutzt. Einfach, weil ich es kann.
Stöckerkreuze |
Einer der Pilger gab
mir abends den Tipp, feuchte Kleidung über Nacht mit in den Schlafsack zu
nehmen, da würde sie am Fußende durch die Wärme besser trocknen. Keine Ahnung,
ob da was dran ist, aber ich probierte es mit einem der Sockenpaare aus, denn
ich brauche morgen dringend welche zum laufen…
Abends war ich nach
dem Tagebuchschreiben noch recht lange mit dem iphone von You- Jin im Internet,
da es wieder gratis WLAN gab und man für die Computer immer so viel zahlen
muss. So war ich mit Abstand die Letzte, die ins Bett ging.
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