Sonntag, 8. September 2013

Lübeck, ca. 23 Km

Heute früh haben wir etwas länger geschlafen, weil wir uns erst für 20.30 Uhr mit der Lübecker Freundin verabredet hatten und uns somit Zeit lassen konnten.
Als wir das Haus verließen und durch den Garten zur Straße gingen, stand eine Gruppe Menschen im Kreis auf der Wiese beisammen und sang. Es klang nach Kirchenliedern, aber die Texte drehten sich um die Natur, also um Vögel und Bäume. Vielleicht ist das Unitarier- Lobpreis? 
So genau haben wir uns mit diesem Religionszweig nicht befasst und ich selbst habe auch zum ersten Mal gehört, dass es sie gibt. Wie auch immer, die Menschen sahen friedlich aus, also haben wir uns keine weiteren Gedanken gemacht. Wir haben noch den Leiter der Einrichtung getroffen und konnten uns für den vergünstigte Übernachtungspreis bedanken und traten dann unsere letzte Etappe an.

Meinem Fuß ging es heute schon besser und auch die Hornhautblase habe ich kaum noch gespürt (wie immer, wenn man sie erst einmal geöffnet und geleert hat), die Idee mit dem Roller war also ganz gut. Wir kürzten von der Unterkunft aus den Weg durch eine Verbindungsstraße ab, so dass wir im Nachbarort von Klingberg oberhalb der Kirche am Jakobsweg wieder herauskamen- offiziell fehlen uns jetzt also wenige hundert Meter Jakobsweg. Ich hoffe, das ist nicht das Teilstückchen, auf dem mich die Erleuchtung heimsuchen wollte! 

Wir liefen auf asphaltierten Wegen, meist neben der Landstraße entlang nach Luschendorf. Diesen Ort mochte ich, weil der Name so lustig ist. 
Am Ortsausgang wurden wir von einem älteren Herrn aufgehalten und eingeladen, in Ratekau die alte Kirche zu besichtigen. Die Menschen in den Dörfern sind alle ganz schön stolz auf ihre alten Bauwerke. Aber wer weiß, vielleicht haben die viel eigenes Geld in diese Bauwerke gesteckt oder mögen ihre Kirchen einfach sehr. 
Der Weg führt uns direkt daran vorbei und wir gucken uns ohnehin fast alle alten Kirchen an, an denen wir vorbeikommen.

In Pansdorf kauften wir uns beim Bäcker frische Brötchen und Croissants und hofften auf einen geeignetes Plätzchen zum frühstücken. 
Leider zog sich dieser Ort sehr lange hin und als wir endlich herauskamen, sah man, dass so schnell keine Bank kommen würde. Also liefen wir in eine Feldeinfahrt, setzten uns aus eine Isomatte und aßen an einer Koppel. Später kamen die Pferde auch heran und ließen sich streicheln.



Das Uhrwerk
Angekokelt, aber hält!
Gästebucheintrag des Pilgers
In St. Jakobi


Weiter ging es nach Ratekau und zur Feldsteinkirche aus dem 12. Jahrhundert, wo wir den perfekten Zeitpunkt abpassten, um das Gebäude zu betreten: Es gab Kaffee und Kuchen und die Leute waren gerade auf dem Weg, den Kirchturm zu besichtigen, denn heute ist "Tag des offenen Denkmals". Die Einladung, uns dem Grüppchen anzuschließen, haben wir natürlich sofort angenommen.
Es war eine spannende Besichtigung. Der Dachstuhl hat irgendwann einmal gebrannt und im 16. Jahrhundert haben sie bei der Sanierung die angekokelten, aber intakten Dachbalken wiederverwendet. Man sieht hier und da also schwarze Balken. Wir waren um kurz vor Mittag oben im Turm neben den Kirchenglocken und die läuteten dann auch direkt neben uns. (Hier musste sich jedenfalls niemand darum Gedanken machen, ob "Bruder Jakob" (also wir) die Glocken hören. 

Wir stiegen in die letzte Etage und konnten sehen, wie das große Uhrwerk die Glocken unter uns in Bewegung brachte. Danach war alles wieder still und man sah und hörte nur das Sekundenzahnrad ticken. Das Uhrwerk ist von 1894 und läuft noch immer einwandfrei. 
Durch die Fenster im Turm hatten wir eine tolle Aussicht auf die Umgebung und wir waren wirklich froh, so eine zeitliche Punktlandung gemacht zu haben. Die Leute, die mit dabei waren, waren fast alle sehr interessiert an unserem Vorhaben und fragten uns aus. Im Gästebuch der Kirche entdeckte ich, dass heute schon ein Pilger hier war. Er oder sie kam aus Dänemark und war auch auf dem Weg nach Lübeck. 
Also so unbekannt oder unbeliebt ist die Via Scandinavica dann wohl doch nicht...






Wir liefen weiter in Richtung Lübeck. In Bad Schwartau ging es eine Zeit lang durch den Kurpark, eine sehr schöne Strecke, aber leider ging hier mein Roller kaputt. Ich bemerkte, dass das Vorderrad komisch wackelte und sah, dass eine Schraube fehlte. Och nö!
Zum Glück fanden wir sie recht schnell, keine hundert Meter hinter uns. Aber wie zieht man sie wieder fest, wenn man kein Werkzeug dabei hat?
Ich brauchte nur einen Imbusschüssel und den schnitzte ich mir kurzerhand selbst. Gut, die Form ist jetzt auch nicht soo die Herausforderung, aber die Idee muss man erst mal haben. Hat auch ganz gut geklappt. Ich habe das Werkzeug zwar eingesteckt, aber nicht wieder benötigt. 

Die heutige Strecke ging relativ wenig durch die Natur und verlief hauptsächlich an Landstraßen und lange Zeit durch Ortschaften und Städte. 
Um die Wegweiser zu sehen, muss man oft genau hinsehen, sonst verpasst man die Stelle, an der man abbiegen muss. Einmal ist es uns heute wieder passiert, da sind wir einen Kilometer zu weit gelaufen und haben später am Markplatz in Schwartau gesehen, dass oben an einem Verkehrsschild noch ein Wegweiser war. Manchmal gibt es aber auch 2-3 Wegweiser an einer Abzweigung, da wäre es dann schön gewesen, man hätte sich die Aufkleber gespart und da angebracht, wo sich der Weg nicht selbst erklärt. 
Einmal wurde ein Radwegschild auch einfach über die Muschel geschraubt und unten sah man nur noch ein Stück vom Blau des Aufklebers herausragen.  

Als wir das Ortseingangsschild von Lübeck erreichten, fing es an zu regnen. Herzlichen Dank für diesen tollen Empfang. Also zogen wir uns Regensachen an und liefen weiter. Bis zur Innenstadt waren es noch gut 5 Km. Irgendwann hatten wir aber auch diese hinter uns gebracht und erreichten die Kirche St. Jakobi. Hier bekamen wir zwar keinen Applaus (dbei wären genug Leute dagewesen, um uns gebührend zu empfangen), aber unseren letzten Stempel in den Pilgerausweis. Die Dame, die gerade Dienst am Empfang hatte, erzählte uns, dass es eine Pilgerherberge in der Nähe der Kirche gäbe. Mit Küche, Dusche und co. für 9,50€ pro Pilger.
Wir lehnten dankend ab (obwohl sie uns 3x einlud), denn wir hatten da bereits eine Unterkunft sicher. Der dänische Pilger wollte versuchen, seinen Zug zu erreichen, wir wussten also nicht, ob er noch einmal zurückkommen und in der Herberge schlafen würde. Schade, wir hätten uns gern mal mit anderen Pilgern unterhalten. 
Wir schauten uns in die Ruhe die Kirche an und entdeckten hier und da Jakobus. Johannes kaufte sich noch eine Jakobsmuschel, denn die Wandermuschel, die er dabei hat, wird er bald weitergeben müssen. Ende des Monats reisen wir mit ihr nach Österreich zu einem Pilgertreffen und da wird sie ihre Reise dann mit einem anderen Pilger fortsetzen, um einen deutschen Jakobsweg reicher.

Wir gingen weiter in die Stadt hinein und gönnten uns ein Eis von Niederegger. War zwar nicht das beste Wetter dafür, aber so ein gutes Eis schmeckt auch im Regen. 
Den Abend verbrachten wir in netter Runde mit meinen beiden Freunden und werden morgen die Rückreise nach Hamburg antreten. Passend zum Abschluss dieser Reise ging heute Abend übrigens meine Kette mit Muschel aus Santiago kaputt. Ob das eine Bedeutung hat...?!

Wenn dieser Beitrag veröffentlich wird, werde ich auch Bilder in die anderen Beiträge eingefügen. Ein Blick zurück lohnt sich also ;)



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