Mittwoch, 4. September 2013

Bliesdorf, ca. 35 km

Der heutige Tag war vermutlich der anstrengendste, den ich je beim pilgern erlebt habe.
Gestartet sind wir um 8 Uhr und hofften darauf, in einem der folgenden Orte einen Laden oder wenigstens einen Bäcker zu finden, denn wir hatten, abgesehen von ein paar Nüssen, nichts mehr zu essen. Aber auch zu dem Thema Einkaufsmöglichkeiten hält sich unser Führer größtenteils bedeckt. Wir wussten zwar, dass es in Süssau am Strand einen kleinen Laden geben sollte, der während der Sommermonate geöffnet hat, aber dieser lag rund 1,5 km Kilometer vom Pilgerweg entfernt und wir hofften, dass sich dieser Umweg würde vermeiden lassen.
Da wir bereits fast 10 km gelaufen waren als wir in Süssau ankamen, entschieden wir uns dann doch für diesen Umweg. Auf dem Weg vorbei an Häusern und Feldern begegneten wir einer zutraulichen Katze und weiter ging es runter zum Wasser.





Der Laden war recht klein und natürlich hatte er stolze Preise, deshalb kauften wir nur 4 Brötchen und 2 Flaschen kalte Cola. Damit setzen wir uns an den Strand und frühstückten.
Von der Verkäuferin im Laden erfuhren wir, als wir nach Stempeln für unseren Pilgerpass fragten, dass gestern Abend schon mal eine Pilgerin dagewesen sei und dass sie bis nach Dahme weiterlaufen wollte. Da denken wie die ganze Zeit, dass dieser Weg kaum von Pilgern beschritten wird und dann ist uns eine Pilgerin nur 15km voraus... Leider hatten wie keine Idee, wie wir sie erreichen konnten, denn wir hätten gern mal etwas mit ihr geklönt. Da wir am Wohnwagen aber einen Tag Pause machen wollen, werden wir sie wohl nicht einholen können.
Als wir nach dem Essen versuchten, unseren Tag zu planen, fanden wir heraus, dass es bis zum Wohnwagen noch etwa 25 km waren. Die von Google maps geplante Route stimmte fast mit der Unseren überein. Wir beschlossen, dass wir es versuchen wollten. 35 km sind zwar hart, aber ohne Zeitdruck (das Bett im Wohnwagen ist ja sicher) konnte man es schaffen. Also zogen wir weiter, nachdem ich den rechten Fuß versorgt hatte. Da bahnte sich nämlich wieder eine Blase an.
Der Weg führte uns durch viele kleine Dörfer und an dem ein oder anderen imposanten Gutshof vorbei. Es ging entlang an Feldern und über Schotterpisten von Örtchen zu Örtchen. Die Häuser waren oft sehr hübsch. Reetdächer, Fachwerk und viele im (wie Johannes sagt) "friesischen Stil". Ein Haus in einem Ort sah sogar aus wie aus dem Örtchen O Cebreiro in Spanien, ich habe nur leider vergessen es zu fotografieren.
Ab und zu sahen wir das Meer am Horizont, aber leider nicht besonders oft.
Wie kamen auch an ein paar Kuhweiden vorbei, an denen die Kühe sich Gras geben und ein kleines bisschen streicheln ließen. Eine Herde war schwarz mit weißem Gurt um den Bauch und die Tiere sahen ganz flauschig aus.


Zwischendurch musste ich meinen Fußballen erneut versorgen, hier hatte sich nun doch eine Blase unter der Hornhaut gebildet. Ich habe versucht sie aufzustechen, aber das hat nicht geklappt. Also wickelte ich wieder Tape um den Fuß und hoffte, dass ich den Druck so verteilen könnte. Das Laufen war inzwischen recht schmerzhaft.
Als wir durch Grube kamen, wurden wir von 4 Damen angesprochen und eingeladen, ihre Kirche zu besichtigen, die nur 200m entfernt war. Sie waren ganz erstaunt, dass der Jakobsweg durch ihren Ort verläuft und waren überrascht, dass ihnen die Muschelaufkleber nie aufgefallen sind. So geht es aber vielen Leuten, die mit dem Symbol nichts anfangen können und mir ging es ja vorher auch nicht anders.
Wir sahen uns also die Kirche an und holten uns einen Stempel vom Pastor der Gemeinde ab. Weiter ging es dann in Richtung Cismar. Der Weg war bisher relativ gut ausgeschildert, aber auch hier gilt: Ohne den Führer ist es nicht gerade einfach, den Weg zu finden.
An einigen Kreuzungen gibt es keine Wegweiser, aber es ist auch nicht klar ersichtlich, wo es langgeht.
Der Weg nach Cismar war für mich echt schlimm, der rechte Fußballen schmerzte zunehmend, so dass ich Musik anmachen musste, um mich abzulenken. Das hilft immer ganz gut, weil ich mich dann nicht nur auf die Schmerzen konzentriere. Einen herzlichen dank an die toten Hosen und die Wise Guys.
Dennoch hatte ich das Gefühl, dass Cismar einfach nicht näherkommen wollte und ich konnte ja auch keinen Kilometercountdown runterzählen, denn der Führer.... Na ja.
In Cismar liefen wir zum Kloster, wo wir den ersten Via Scandinavica- Stempel in unsere Ausweise bekamen. Die Dame im Café drückte uns ungefragt auch noch den Stempel vom Mönchsweg in den Ausweis. Gut, haben wir halt zwei, auch wenn wir nur einen Pilgerweg laufen.
Hinter dem Kloster machten wir eine halbe Stunde auf einem Spielplatz Pause und entspannten die Füße.
Johannes taten seit heute früh die Füße weh und auch der Rücken. Auf Nachfrage meinte er, dass er sich den Rucksack im Laden hat gar nicht einstellen lassen und dass er nur glaube, dass er richtig saß. Nach einem Verstellen der Rückenlänge am Mittag ging es jetzt aber schon besser.
Eigentlich konnten wir beide nicht mehr wirklich. Aber wir waren schon im Grömitzer Umland und wollten weiterlaufen. In Grömitz würden wir eine lange Pause vor dem Endspurt machen und etwas essen.

Nach einem knappen Kilometer beschloss ich, dass ich die Blase noch einmal angucken musste, weil sie so wehtat. Und schnell war klar warum: sie war ganz schön gewachsen!
Sie reichte schon fast bis an den Zeh heran und dieses mal war es kein Problem, sie aufzustechen. Aber hinterher tat es noch ganz schön weh. Ich zog einen Faden durch die Blase (ich weiß, die Methode ist umstritten, aber ich wollte dringlichst ein weiteres Ausdehnen der Blase verhindern) und klebte diese am Fuß fest. So richtig verbinden oder abkleben konnte ich die Stelle aber nicht und so wickelte ich notgedrungen ein paar hundert Meter weiter ein ganzes Verbandpäckchen um den Fuß.
Ich vermute, dass die Blase deshalb so groß geworden ist, weil ich den Schuh ja nicht mehr richtig schnüren kann mit der abgerissenen Lasche und vorn zu viel Bewegung ist.
Mit dem Verband ging das Laufen dann aber erstaunlich gut und ich dachte immer wieder an Allans und meinen Leitspruch vom Camino in Spanien: walk through the pain.

Die Beschilderung war wieder echt mies und wir mussten uns den Weg anhand der handschriftlichen Karten im Führer zusammenreimen.
So kamen wir aber doch noch gut auf den Deich nach Grömitz. Vor dem Deich sahen wir übrigens den letzten Wegweiser vor Bliesdorf. Und dazwischen liegen etwa 8 km.
Wir liefen in Grömitz über die Strandpromenade und wurden von den Leuten doch recht seltsam angeschaut. Inzwischen war es aber auch schon kurz vor 20 Uhr.

Sandskulptur in Grömitz
Wir bestellten beim Italiener leckere Nudelgerichte und Cola und machten und um 21.15 Uhr auf zum Endspurt nach Bliesdorf. Es war inzwischen natürlich dunkel geworden und wir hatten nicht viel von der schönen Aussicht, aber da wir die Strecke kennen, war das nicht schlimm. Nach einem Kilometer musste ich zu allem Überfluss noch eine Fußballenblase am linken Fuß versorgen. Naa toll. Jetzt sind beide Füße schrott.
Zum Wohnwagen liefen wir noch eine Stunde, aber es kam uns kürzer vor. Wenn man die Strecke kennt und weiß, wie weit der Weg noch ist, ist alles etwas einfacher. Ich konnte den Weg in Abschnitte teilen: zum Yachthafen, zum kleinen, dann zum großen Wald und schließlich durch die Siedlung zum Campingplatz. Dort kamen wir um 22.15 Uhr an und waren unglaublich fertig. Wir waren 12,25 Stunden unterwegs, auch wenn viele Pausen dabei waren. Wir hatten dennoch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa 4 - 4,5 km/h.
Ich weiß nicht, woran es liegt, dass wir so langsam vorankommen, in Spanien war ich immer viel schneller am Ziel. Aber der heutige Tag war auch echt lang und die vielen Stunden hatten sicher mehr negative Folgen als die Anzahl an Kilometern, die wir gelaufen sind. Wir waren jedenfalls unglaublich erleichtert, als wir vor dem Wohnwagen standen, der uns mit seiner Ruhe und den hübschen Solarlichtern freundlich willkommen hieß.
(Diesen Bericht habe ich am Tag danach geschrieben, weil wir gestern nach der Ankunft nur noch ins Bett gefallen sind).

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